Feinde der Briefwahl

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ANALYSE. Ob FPÖ, AfD oder jetzt wieder Trump: Rechte versuchen mit fadenscheinigen Argumenten, das Wahlsystem zu ihren Gunsten umzubauen. 

„Manipulation“ ist ein Begriff, der immer wieder vorkommt: Der heutige US-Präsident Donald Trump behauptet fälschlicherweise, dass ihm vor fünf Jahren der Wahlsieg über Joe Biden genommen worden sei. Und zwar über die Briefwahl. Daher will er sie für fast alle Bürger abschaffen, wie er gerade bekräftigt hat.

Eine der Falschbehauptungen von Trump lautet, dass es eine massenhafte Stimmabgabe durch Nicht-Staatsangehörige gebe. Es ist Verschwörungstheorie, wie sie von der deutschen AfD genauso geteilt wird wie von der FPÖ.

Im freiheitlichen Nationalratswahlprogramm ist ausdrücklich die Abschaffung der Briefwahl gefordert worden. Begründung von Herbert Kickl und Co.: „Im Zuge der Briefwahl kommt es immer wieder zu Ungereimtheiten und Vorwürfen, dass etwa in „Migranten-Communities“ oder in Pensionistenheimen Stimmen zentral gesammelt und abgegeben werden. Damit sind dem Wahlbetrug Tür und Tor geöffnet.“

Die massive Abweichung der Briefwahlergebnisse von den Resultaten der Urnenwahl sei statistisch nicht erklärbar, finden Freiheitliche. Die Abweichung ist wirklich groß. Das Innenministerium weist die Stimmen getrennt aus. Für die Nationalratswahl 2019 ergibt das folgendes Bild: Neos, vor allem aber Grüne, kamen bei Briefwählern auf einen deutlich größeren Stimmenanteil als bei den übrigen Wählern. Siehe Grafik.

Umgekehrt erreichten SPÖ und etwas stärker die ÖVP bei Briefwählern einen kleineren Stimmenanteil. Ganz besonders aber hat dies die FPÖ getan: Einem Urnenwahlergebnis von 17,3 Prozent stand in ihrem Fall ein Briefwahlergebnis von gerade einmal 11,8 Prozent gegenüber.

Oder anders formuliert: Bei den Grünen kamen fast 30 Prozent der Stimmen von Briefwählern, bei der FPÖ nur halb so viele.

Es ist ein Muster, das nicht ungewöhnlich ist. Auch in Deutschland kennt man es, wie einer Studie der SPD-nahen „Friedrich-Ebert-Stiftung“ zu entnehmen ist. Dort geht es zu Lasten der AfD. Und es ist, anders als die FPÖ vermittelt, erklärbar. Laut der Studie nützen eher Ältere und eher höher Gebildete die Briefwahl.

Und bei Älteren und eher höher Gebildeten hat die FPÖ eher einen schweren Stand. Erreichte sie bei unter-30-Jährigen bei der Nationalratswahl 2019 20 Prozent, so musste sie sich bei ab 60-Jährigen mit 13 Prozent begnügen. Und kam sie bei Wählern, die nicht über die Pflichtschule hinausgekommen sind, auf 21 Prozent, so schaffte sie bei Akademikern überhaupt nur vier Prozent. Das hat das Sozialforschungsinstitut „Foresight“ bei einer Wahltagsbefragung festgestellt, die es im Auftrag des ORF durchgeführt hat.

Verschwörungstheoretiker lassen sich dadurch nicht beirren. Vor der deutschen Bundestagswahl wurden mutmaßlich von einer russischen Trollgruppe Fakevideos verbreitet, in denen es hieß, die Briefwahl werde zum Nachteil der AfD manipuliert.

Manipulationen hat aber nicht einmal der Verfassungsgerichtshof bei der ersten Stichwahl für das Amt des Bundespräsidenten 2016 festgestallt. Die FPÖ hatte sie angefochten und recht bekommen. Aber weil Briefwahl-Wahlkarten in 14 Bezirken nicht vorschriftsgemäß ausgezählt worden waren, etwa Kuverts zu früh geöffnet wurden oder Unbefugte beteiligt waren. Was nicht geht, weil damit die Möglichkeit einer Manipulation einhergeht. Das ist schon zu viel. Ein Hinweis auf eine tatsächlich erfolgte Manipulation lag laut VfGH jedoch ausdrücklich nicht vor. Einen solchen konnte auch die FPÖ nicht liefern.

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