ANALYSE. Zur Fußfessel fordern Freiheitliche eine Sonderregelung für Afghanen sowie Syrer. Und im Umgang mit Politikern wie Kurz will die ÖVP überhaupt noch mehr Inkonsequenz.
Die Freiheitlichen sind grundsätzlich dafür, dass die Fußfessel künftig öfter eingesetzt wird, wie es zur Entlastung der Gefängnisse bzw. des Justizbudgets geplant ist. Für bestimmte Personengruppen sollte sie jedoch verboten werden, zitiert die „Kronen Zeitung“ den Sicherheitssprecher der Partei, den Justizwachebeamten Christian Lausch: „Nein zu Fußfessel für Afghanen, Syrer, islamistische Gefährder und Gewalttäter!“
Das ist schlicht rassistisch: Afghanen und Syrer sollen demnach allein aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit strenger behandelt werden. Während andere nach einer Verurteilung wegen einer vergleichbaren Straftat die Fußfessel erhalten könnten, sollen sie in jedem Fall hinter Gittern landen. Mit Rechtsverständnis hat das nichts zu tun. Es entspricht dem, was der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl gemeint hat, als er als Innenminister vor sechs Jahren erklärte, Recht solle der Politik folgen. Sie wird demnach auf ein ganz anderes Niveau gebracht, eines, bei dem es eher nur um Stimmungen geht.
Auch in der ÖVP breitet sich dieser Ansatz aus. Wie hier schon ausgeführt, hat Bundesparteiobmann, Kanzler Christian Stocker mit anderen Regierungschefs den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte jüngst dafür kritisiert, dass er die Menschenrechtskonvention streng auslegt. Das erschwere die Abschiebung ausländischer Straftäter, so das Argument von Stocker und Co. Zumal ein Gerichtshof nicht wunsch-, sondern sachgemäß entscheidet, trat der Generalsekretär des Europarats, der Schweizer Alain Berset, dem klar entgegen.
Der langjährige Rechtsanwalt Christian Stocker hat sich vor wenigen Tagen gleich noch einmal befremdlich exponiert. Es ging um die Anklage von ÖVP-Klubobmann August Wöginger in der „Finanzamtsaffäre“: Wöginger wird vorgeworfen, für die Bestellung eines Parteifreundes zum Vorstand des Finanzamts für Braunau, Ried und Schärding beim damaligen Kabinettschef des Finanzministeriums, Thomas Schmid, interveniert zu haben. Stocker erklärte nun, dass er auch im Falle einer erstinstanzlichen Verurteilung an Wöginger festhalten würde. Begründung: „Gerade der Prozess von Sebastian Kurz zeigt, dass man bei einer Anklage und auch bei einer erstinstanzlichen Verurteilung vorsichtig sein sollte. (…) Man sieht ja, wie leicht Spitzenpolitiker einem Verfahren ausgesetzt sein können, weil es immer mehr politisch motivierte Anzeigen gibt.“
Das ist eines Kanzlers unwürdig: Stocker unterstellt der zuständigen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, substanzlosen, ausschließlich politisch motivierten Anzeigen auf den Leim zu gehen.
Das ist nicht weit entfernt von dem, was Ex-Kanzler und ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel gerade in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ festgestellt hat: „Die Auseinandersetzung gehört ins Parlament und nicht vor die Gerichte, wie das jetzt bei Sebastian Kurz der Fall ist. Die Politik sollte sich mehr darauf konzentrieren, das Land weiterzubringen als darauf, was man alles schlecht reden kann.“
Es ist auch nicht weit entfernt von dem, was Sebastian Kurz nach dem Freispruch in der Sache wegen Falschaussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss empört festgestellt hat: Er sei bei Gericht dort gesessen, „wo sonst die Mörder und Schwerverbrecher sitzen“.
Was Schüssel und Kurz da sagen, steht für die Vorstellung, dass mit Politik inkonsequent umzugehen sei: Natürlich sollte die politische Auseinandersetzung im Parlament stattfinden. Wenn aber einmal (es kommt ohnehin selten vor) eine Falschaussage vor einem U-Ausschuss im Raum steht, ist dem nachzugehen; können Fälle schließlich vor Gericht landen, wo es keine separaten Säle für Mörder, Schwerverbrecher und andere gibt.
Abgesehen davon wird hier darüber hinweggetäuscht, dass es in Österreich nicht zu strenge, sondern zu lasche Gesetze in Bezug auf Politik gibt. Im Unterschied zu Frankreich etwa ist illegale Parteienfinanzierung kein Straftatbestand, der ins Gefängnis führen kann, sondern eine Kleinigkeit. Dabei handelt es sich immer auch um Wählerbetrug. Also keine Lappalie, sondern etwas vom Schlimmeren, was man sich in einer Demokratie vorstellen kann.
Die ÖVP etwa hat unter Sebastian Kurz bei der Nationalratswahl 2017 die Wahlkampfkostengrenze von sieben Millionen Euro um fast sechs Millionen überschritten. Viel stärker als andere Parteien. Bei der SPÖ handelte es sich um rund 0,4 Millionen. Konsequenz: Sie musste eine Geldbuße von 800.000 Euro bezahlen. Was ihr keine größeren Probleme bereitete.
Der Rahmen für solche Geldbußen ist mittlerweile zwar erhöht worden. Um einen Straftatbestand handelt es sich aber nach wie vor nicht.