Im System kaputt

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ANALYSE. Die Schaffung einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft klingt vernünftig. Sie kann aber auch als Eingeständnis der Politik gesehen werden, ihren Aufgaben nicht mehr gerecht werden zu können.

Noch verhandeln Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), um die von Bundespräsident Alexander Van der Bellen geforderte Generalsanierung der Republik zumindest im Ansatz signalisieren zu können, sollten sie sich früher oder später jedoch einigen im kommenden Jahr. Und zwar über die Schaffung einer Bundesstaatsanwaltschaft.

Schon lange ist umstritten, dass die Justizministerin (oder der -minister) Staatsanwälten Weisungen erteilen kann. Und dass diese – bzw. die Oberstaatsanwaltschaften und die Staatsanwaltschaften – gewissermaßen: umgekehrt – berichtspflichtig sind. Mit türkisen Korruptionsaffären und Versuchen von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) etwa, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu diskreditieren, ist das, was hier als Problem mitschwingt, offensichtlich geworden: Es könnte nicht nur über die Bande, also durch öffentliche Äußerungen, Druck ausgeübt werden, sondern auch direkt über eine Justizministerin der WKStA etwas Bestimmtes angeschafft werden. Glück im Unglück: Zadic dient nicht den Türkisen, sondern den Grünen. Aber der heikle Punkt ist eben, was möglich ist.

Vor diesem Hintergrund erscheint es grundvernünftig, eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft anstelle der Justizministerin an die Spitze zu stellen. Damit hätte die Ministerin nicht einmal mehr die Möglichkeit, eine rein parteipolitisch motivierte Weisung zu erteilen.

Bemerkenswert ist, dass Juristen wie der Staatsrechtler Ewald Wiederin und Ex-OGH-Präsident Eckart Ratz massive Vorbehalte anmelden. Wiederin bezweifelte etwa schon in einem Beitrag vor zehn Jahren, dass das zu einer Verbesserung führen würde. Ratz meldet in einem aktuellen Beitrag ebenfalls Bedenken an. Sie sind auch insofern interessant, als sie das Problembewusstsein schärfen. Und den Schluss nahelegen, dass es hier auch um eine Bankrotterklärung der Politik geht: Sie sieht sich selbst nicht mehr in der Lage, ihren ureigensten Aufgaben nachkommen zu können. Anders ausdgerückt: Hier ist etwas im System kaputt.

Ratz betont, dass Staatsanwälte im Sinne des Staatsanwaltschaftsgesetzes „von den Gerichten unabhängig“ zu agieren und „die Interessen des Staates in der Rechtspflege“ zu wahren hätten (§ 1)*. Bei diesen Interessen gehe es um das Gemeinwohl. Insofern sei es – stark zusammengefasst – sogar schlüssig, dass es mit der Justizministerin eine politisch, also demokratisch verantwortliche Spitze gibt.

Dem kann man entgegenhalten, dass diese Sitze in der Praxis eben nicht sicher dem Gemeinwohl dient. Dass man immer damit rechnen müsse, dass zum Beispiel gerade dann, wenn irgendwann eine Justizministerin einer Partei angehören sollte, die im Zentrum einer Affäre steht, eher Interessen von Freunden oder der jeweiligen Gesinnungsgemeinschaft Vorrang haben könnten für diese.

Wiederin würde dem wohl die Öffentlichkeit entgegenhalten: In seinem Beitrag aus dem Jahr 2012 meint er jedenfalls, dass ein Bundesstaatsanwalt „sicherlich weniger stark“ kontrolliert werden würde als „ein Regierungsmitglied, das permanent unter medialer Beobachtung“ steht. Sprich: Eine Justizministerin muss es sich eher dreimal überlegen, ob sie anderen Interessen als denen des Staates bzw. des Gemeinwohles dient. Zumal sie über das Parlament gleich auch selbst zur Verantwortung gezogen werden könnte. Vorbehalt: Sofern Medien und Opposition ihrer Funktion gerecht werden.

* Im Unterschied dazu hat ein Richter dem Gesetz und ein Anwalt den Interessen des Angeklagten gerecht zu werden.

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