ANALYSE. Das Standort- wird zu einem Widerstandsentwicklungsgesetz. So nachvollziehbar das Anliegen ist, das dahintersteht.
Die Arbeitszeitflexibilisierung kann man unterm Strich so oder so sehen: Für Unternehmer ist sie wohl eher zu begrüßen. Nicht nur Gewerkschafter haben jedoch ein Problem damit: Rein politisch betrachtet ist es ein Problem, dass die Sache ohne Begutachtungsverfahren und dann auch noch mit vorgezogenem Inkrafttreten beschlossen worden ist. Auf dieSubstanz.at wurde dies als eine „Art Notstandsgesetzgebung ohne jede Not“ bezeichnet; wie es im Übrigen auch Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn wenig später auf Ö1 tat.
Eine solche Vorgangsweise will gut begründet sein. Unter anderem, weil sie Widerstand provoziert. Umso bemerkenswerter, dass die Regierung gleich in einem weiteren Fall darauf zurückgreift: Beim Standortentwicklungsgesetz gibt es zwar eine Begutachtung. Sie beginnt jedoch mit Urlaubs- und Ferienzeit und endet (im August) mitten drinnen. Auch der Politik-, Experten- und NGO-Betrieb läuft da nur eingeschränkt; eine echte Debatte wird kaum entstehen können. Das ist kein Verbrechen der politisch verantwortlichen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), aber ein Foul.
Großprojekte sind nicht ganz einfach durchzubekommen. Also kommt die Brechstange.
Viel entscheidender jedoch ist der Inhalt: Großprojekte sind in Österreich nicht ganz einfach durchzubekommen. Also soll nun die Brechstange kommen: Ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach einer gewissen Zeit nicht abgeschlossen, ist das Projekt genehmigt. Wobei es standortrelevant und im besonderen öffentlichen Interesse der Republik Österreich sein muss. Was darunter fällt, kann auf Antrag eines Landeshauptmannes oder Ministers von der Bundesregierung entschieden werden. (Das ist, nebenbei bemerkt, schön für die Landeshauptleute, die so unter Umständen sehr Unpopuläres durch andere durchsetzen lassen können.)
Verfassungsrechtler haben sich zum entsprechenden Entwurf und den Erläuterungen bereits eingehend geäußert; und zwar kritisch, um es vorsichtig auszudrücken. Politisch handelt es sich um eine Provokation, die ein zweites Hainburg heraufbeschwört.
Bis in den späten 1970er Jahre hinein war es der Politik ziemlich einfach möglich, jedes Vorhaben recht schnell zu realisieren: Autobahnen, Hochspannungsleitungen, Kraftwerke etc. Das galt erstens als fortschrittlich, zweitens gab es keine Hürden wie eine UVP und drittens existierte noch keine Gegenbewegung, die es sich erlaubt hätte, derlei zu bekämpfen. Das sollte sich durch „Zwentendorf“ und „Hainburg“ ändern. Da gab es eine Gegenbewegung, die Ökobewegung nämlich; und zwar im Falle von Hainburg ganz besonders, weil der Staat seinen Willen mit aller Brutalität durchziehen wollte.
Hainburg gilt nicht nur als Geburtsstunde der Grünen.
Das Ergebnis ist bekannt: Hainburg gilt nicht nur als Geburtsstunde der Grünen. Der Konflikt hat auch zur Entwicklung von mehr oder weniger geordneten Verfahren beigetragen. So sollte ein zivilisierter Interessensausgleich gewährleistet werden.
So gesehen ist das Standort- nun ein Widerstandsentwicklungsgesetz: Von Großprojekten betroffene Bürger, die sich weniger denn je den Mund verbieten lassen, werden von einem autoritären Staat herausgefordert, Widerstand zu entwickeln – wissend, dass sie in Verfahren kaum noch Aussicht auf Erfolg haben.
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