#bpwahl16 Vorschrift ist Vorschrift

ANALYSE. Die Bundeswahlbehörde argumentiert grundvernünftig gegen eine Wiederholung. Formalfragen sind in Österreich aber nicht egal. Das macht den Ausgang des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof denn auch so spannend. 

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ANALYSE. Die Bundeswahlbehörde argumentiert grundvernünftig gegen eine Wiederholung. Formalfragen sind in Österreich aber nicht egal. Das macht den Ausgang des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof denn auch so spannend.

Gab es bei der Bundespräsidenten-Stichwahl vor einem Monat einen Verstoß gegen Grundprinzipien? Gab es also eine Verletzung des allgemeinen, gleichen, persönlichen, geheimen oder freien Wahlrechts? Nach allem, was FPÖ-Anwalt Dieter Böhmdorfer in seiner Anfrechtung vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) geltend gemacht hat, kann davon keine Rede sein. Und auch die Bundeswahlbehörde stellt in ihrer Widerrede fest: Es lägen „keinerlei Hinweis auf wie auch immer geartete Manipulationen vor“. Mit anderen Worten: Das Wahlrecht ist niemandem (zu unrecht) verwehrt worden. Wer wollte, konnte seine Stimme abgeben. Jede wurde (gleichwertig) gezählt. Und so setzte sich denn auch Grünen-Kandidat Alexander Van der Bellen am Ende gegen seinen Mitbewerber Norbert Hofer (FPÖ) durch.

Die Freiheitlichen setzen auf einen Punkt, der in Österreich zumindest ebenso wichtig ist wie die Vernunft: eine vorschriftsgemäße Vorgangsweise.

Was es gegeben hat, sind ganz offensichtlich Formalfehler: Wahlkarten sind zu früh gezählt worden; zum Teil haben das nicht dafür zuständige Personen getan. Entscheidend bleibt nach allen Maßstäben der Vernunft dennoch die Antwort auf die Frage, ob das Ergebnis korrekt ist; und sie lautet nach allem, was bekannt ist: Ja.

Die Freiheitlichen wollen das nicht akzeptieren und setzen in ihrer Anfechtung auf einen Punkt, der in Österreich zumindest ebenso wichtig ist wie die Vernunft: eine vorschriftsgemäße Vorgangsweise. Das fängt im Kleinen an und hört im Großen auf: Wer bei Rot über die Straße geht, macht sich strafbar; auch wenn weit und breit kein Auto kommt und die Ampel nicht und nicht auf Grün springen will.

Der Geist, der da dahintersteckt, findet sich auch im Kompetenzkatalog des Bundespräsidenten.

Der Geist, der da dahintersteckt, findet sich auch im Kompetenzkatalog des Bundespräsidenten: Gesetze können nur dann in Kraft treten, wenn er beurkundet, dass sie verfassungsgemäß zustande gekommen sind. Und dabei geht es nicht um den Inhalt, sondern einzig und allein um die Form: Haben National- und Bundesrat die Verfahrensordnung eingehalten und alle Fristen berücksichtigt? Gibt’s hier auch nur einen Fehler, muss das Staatsoberhaupt die Unterschrift verweigern und der Gesetzgebungsprozess wiederholt werden.

Verfassungsrechtler weisen allerdings schon lange darauf hin, dass der entsprechende Verfassungsartikel 47 sehr allgemein gefasst ist. Die Bundespräsidenten können ihn daher unterschiedlich auslegen: Laut Manfried Welan folgte Rudolf Kirchschläger der Maxime, dass er auch im Zweifelsfall eine Beurkundung vornimmt. Auch die meisten seiner Vor- und Nachfolger scheinen das getan zu haben. Die einzige Nicht-Beurkundung nahm jedenfalls Heinz Fischer 2008 vor, wobei er seine Kompetenz sehr weit auslegte und die Nichtbeurkundung einer Gewerbeordnungsnovelle damit begründete, dass sie eine rückwirkende Strafbestimmung enthalte.

All das macht naturgemäß auch das laufende Verfahren zur Bundespräsidenten-Wahl vor dem Verfassungsgerichtshof so spannend. Es hängt ausschließlich davon ab, wie sehr die Höchstrichter Vernunft und Prinzipien gegeneinander abwägen.

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