ANALYSE. Wann Wahlempfehlungen oder auch Ausgrenzung gerechtfertigt sind. Überlegungen zu Trump und Kickl.
Zeitungen und Magazine wie „The New York Times“ und „The Economist“ haben im Hinblick auf die US-Wahl eine Empfehlung für Kamala Harris abgegeben. Die „Washington Post“ hat keine Empfehlung abgegeben. Ihr Eigentümer Jeff Bezos (Amazon) hat dafür gesorgt. Die Empörung darüber ist groß, wie auch der Philosoph Konrad Paul Liessmann in einem Beitrag für die „Kleine Zeitung“ feststellt: „Aber warum eigentlich?“ Liessmann wundert sich nicht: „Für so manchen Besorgten stellt der mündige Bürger wohl eine Gefahr für die Demokratie dar. Er ist schwer auf Linie zu bringen. Deshalb muss er von den richtigen Medien betreut und belehrt werden.“
In den USA gibt es schon länger Wahlempfehlungen großer Zeitungen. Was dafür spricht: Insbesondere österreichischer Boulevard neigt dazu, im Sinne einzelner Parteien oder Kandidaten zu kampagnisieren, aber sich nicht klar dazu zu bekennen. Klassiker: Tiere würden Werner Faymann (SPÖ) wählen, hat die „Krone“ einmal behauptet. These: Insofern wäre es sogar ein Fortschritt, würden sich solche Blätter klar deklarieren und schreiben, wer ihres Erachtens am besten geeignet ist.
Wichtiger ist jedoch, dass die Wahlempfehlung zum Beispiel des „Economist“ für Kamala Harris nicht einer Begeisterung für sie geschuldet ist. Im Vordergrund steht eine Sorge darüber, was kommt, wenn Donald Trump wieder kommt.
Und hier geht es wiederum nicht (nur) um Geschmacksfragen und (bloß) inhaltliche Zugänge, sondern um sehr Prinzipielles. Der Sturm aufs Kapitol vor vier Jahren und nunmehrige Aussagen wie jene, dass ihn nur Wahl-„Betrug“ stoppen könnte, stehen stellvertretend für eine Kampfansage an Demokratie durch Trump.
Der Mann rüttelt an Wesentlichem. Wie es auf einem anderen Feld Herbert Kickl (FPÖ) tut, wenn er sich als „Volkskanzler“ darstellt und alle Andersdenkenden als „Volksverräter“ bezeichnet. Und wir er es jetzt auch mit Hilfe seines willfährigen Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz (FPÖ) zu inszenieren versucht: Er tut einfach so, als sei er Staatschef, könne Viktor Orban als Staatsgast empfangen und eine bilaterale Erklärung mit diesem abgeben. Im Namen Österreichs, wohlgemerkt.
Bei allen Unterschieden zwischen den beiden: Trump und Kickl rütteln in einem Ausmaß an Demokratie, dass es legitim ist, eine Wahlempfehlung gegen sie auszusprechen oder sie in dem Sinne auszugrenzen, dass man keine Zusammenarbeit eingeht mit ihnen.
Dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen gute Gründe hatte, Kickl keinen Regierungsbildungsauftrag zu geben. Zumal er im Übrigen auch andere prinzipielle Dinge, wie die Haltung zur europäischen Integration oder dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, anmerkte. Und zumal Kickl – Stichwort „Volksverräter“ – alle möglichen Partner so sehr gegen sich aufgebracht hat, dass er keine Aussicht auf eine parlamentarische Mehrheit hat.
Ein Problem bleibt eher der Zweifel: Was kann eine ÖVP auf Bundesebene gegen Kickl haben, wenn sie in Niederösterreich mit Udo Landbauer koaliert? Sprich: Geht’s ihr eher nur ums Kanzleramt? Ein weiteres Problem ist, dass in den USA die Hälfte der Wähler Trump und in Österreich knapp 30 Prozent de facto Kickl unterstützen, obwohl sie so agieren.
Nach dem Grundsatz, dass die Mehrheit nicht immer recht haben muss, geschweige denn Baugesetze der Verfassung, wie das demokratische Prinzip, im Rahmen einer Nationalratswahl kippen kann, ist das nichts, was zu akzeptieren ist, aber etwas, was alarmierend ist: Wie kann es so weit kommen mit den Leuten? Was muss man tun, damit politische Auseinandersetzungen wieder aufs demokratische Feld zurückgeführt werden und das auch von 80, 90 Prozent der Leute so gewollt wird, sofern es noch nicht zu spät ist?