Weniger Staat, mehr privat

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ANALYSE. Von der Mietpreisbremse bis zum „Fonds zur Armutsbekämpfung und Sozialen Innovation“: Entlastung und Hilfe überlässt die Politik zunehmend anderen.

60 Seiten hat das – bereits beschlossene – Budgetbegleitgesetz. Was auf den Seiten 29 und 30 steht, ist bisher aber weitgehend unbemerkt geblieben. Es geht um einen „Fonds zur Armutsbekämpfung und Sozialen Innovation“, der „Standard“ hat zunächst darüber berichtet. Vom Wesen her entspricht es einem neuen Zug, der bei einer Mitte-Rechts-Regierung wenig überraschend wäre, es bei einer solchen mit sozialdemokratischer Hilfe aber umso mehr ist: Entlastung und Hilfe werden privatisiert.

Angefangen hat es mit der Mietpreisbremse: Eine durchschnittliche Familie werde sich dadurch 250 Euro im Jahr ersparen, erklärte SPÖ-Abgeordneter Wolfgang Moitzi in der Nationalratsdebatte Anfang März. Kommen (quasi) wird das Geld von Vermietern. Was bei ebensolchen auf dem privaten Markt vielleicht einem Umverteilungsgedanken nahekommt. Es gibt jedoch einen „Nebeneffekt“ auch bei gemeinnützigen Wohnbauträgern, die heuer gar keine Anpassung vornehmen durften: Ihnen fehle Geld für Instandhaltung und Neubau, warnen sie – es werde „weniger leistbarer Wohnraum“ entstehen, so der Gemeinnützigen-Verband.

Oder das Land Vorarlberg, das über eine schwarz-blaue Regierung verfügt: Wie alle Länder hat es die Finanzmarktaufsicht in den vergangenen drei Jahren gedrängt, bei Kreditvergaben der Banken mehr Lockerheit zuzulassen, damit besonders junge Leute eher zu Eigentum kommen. Selbst hat es jetzt eine Kürzung der Wohnbauförderung verkündet. Grund: Seine Kassen sind (sprichwörtlich) leer.

Das sind sie auch beim Bund. Das kommt in gewisser Weise auch beim erwähnten „Fonds zur Armutsbekämpfung und Sozialen Innovation“ zum Ausdruck. Dass kein Geld da ist und „Armenwesen“ (sic!) laut Verfassung in der Umsetzung den Ländern obliegt, ist kein Hindernis, einen solchen im Zuständigkeitsbereich des Sozialministeriums einzurichten. Das Ressort soll letztlich auch Richtlinien zur Vergabe von Förderungen und Zuwendungen erlassen.

Im entsprechenden Gesetz ist dazu nur sehr Allgemeines festgehalten: Es gehe um „die Verbesserung der Lebensbedingungen von armuts- und ausgrenzungsgefährdeten Menschen sowie vulnerablen Personengruppen und zur Erprobung neuer sozialer Maßnahmen und innovativer Instrumente zur Vermeidung von Armut“, heißt es da.

Aus dem Bundesbudget sollen ausschließlich Personalkosten in Höhe von rund 40.000 Euro pro Jahr finanziert werden, die beim Fonds voraussichtlich anfallen. Damit ist noch niemandem geholfen, ist noch kein Projekt gefördert, das soziale Innovation zum Inhalt hat. Das soll durch „1. Zuwendungen, Schenkungen, Erbschaften und Vermächtnisse sowie 2. Zinsen und sonstige Erträgnisse des Fondsvermögens“ geschehen. Im Wesentlichen also Private.

Anders ausgedrückt: Der Fondszweck kann nur in dem Maß erfüllt werden, in dem sich Bürgerinnen und Bürger bereit erklären, dem Fonds Geld zu überlassen. Der Staat findet ihn zwar wichtig, übernimmt aber keine Verantwortung dafür.

Die Grünen sprechen von einem „Fake-Fonds“: Es sei unwahrscheinlich, dass viele Menschen dem Sozialministerium Geld für nicht näher definierte Maßnahmen überlassen. Wie viele es sein könnten bzw. wie viel zusammenkommen könnte, wagt offenbar nicht einmal das Ministerium selbst abzuschätzen: Der „Wirkungsorientieren Folgenabschätzung“ zum Budgetbegleitgesetz ist keine Angabe dazu zu entnehmen.

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