ANALYSE. Sozial gestaffelte Anpassungen sind gerade auch unter Konservativen angesagt. Es widerspricht dem Teilzeitbeschäftigten-Bashing und geht Richtung Volkspension.
Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) findet, dass Pensionen nicht um 2,7 Prozent erhöht werden sollten, wie es dem gesetzlichen Anpassungsfaktor, also der Inflation, entsprechen würde, sondern um durchschnittlich nur zwei Prozent. Sozial gestaffelt also, wie man so sagt: Bei Mindestpensionen würde es, wie es auch die Neos vorschlagen, um 2,7 Prozent mehr geben und dann mit zunehmender Pensionshöhe ein immer kleineres Plus.
Der Ansatz mag Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit entsprechen, wonach gerade in Zeiten der budgetären Not nur diejenigen einen größeren Beitrag zur Konsolidierung leisten sollten, „die es können“.
Schaut man sich die Anpassungen der vergangenen Jahre seit 2017 an, könnte man jedoch meinen, die budgetäre Not sei ein Dauerzustand. Zumindest auf den ersten Blick: Sechs von neun Mal gab es eine soziale Staffelung. Mindestpensionen wurden jedenfalls so oft stärker erhöht als Durchschnittspensionen.
Auf den zweiten Blick relativiert sich das ein bisschen: Real sind in dieser Zeit zumindest auch Durchschnittspensionen meist erhöht worden. Nur einmal, 2023, lag in ihrem Fall die Erhöhung (um 0,1 Prozentpunkte) unter dem Anpassungsfaktor. Sonst immer darüber. Von den Mindestpensionen gar nicht zu reden: Sie wurden 2020, 2021 und 2023 um jeweils gut zwei Prozentpunkte stärker erhöht sowie 2018 und 2019 um jeweils 0,6 und 2022 um 1,2 Prozentpunkte.
Das ist insofern bemerkenswert, als hier immer Konservative zumindest den Kanzler und den Finanzminister stellten. Sprich die ÖVP. Und dass Stocker das nun eben weitertreibt, ja verstärkt. Geht es nach ihm, werden Durchschnittspensionen im Unterschied zu Mindestpensionen real ja sogar gekürzt, wie schon länger nicht mehr. Es hat was von einem Zug Richtung Volks- oder Einheitspension.
Jedenfalls ist es ein glatter Widerspruch zum „Leistung muss sich lohnen“-Gerede, ja eine Ermunterung, ohne schlechtes Gewissen einfach weiter Teilzeit zu arbeiten. Sich insbesondere von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) nichts sagen zu lassen.
Grund 1: Wer mit dem Ziel leistet, dass er zu möglichst hohen Pensionsansprüchen kommt, darf sich nicht ohne Recht als der Dumme betrachten. Zumal wir erst am Anfang der Budgetsanierung stehen, muss er befürchten, dass seine Pension real immer weiter gekürzt werden wird.
Grund 2: Die Mindestpension – 1274 Euro bei Alleinstehenden und 2010 Euro bei Paaren – wird hingegen weiter wertgesichert. Was wichtig ist zur Armutsverhinderung, hier aber nicht der Punkt ist. Es geht darum: Auch wer ein Leben lang Teilzeit arbeitet, kommt zu einer Mindestpension und wird, wenn er bescheiden ist, auf Dauer davon leben können, zumal sie eben wertgesichert bleibt. Das ist einerseits schön. Andererseits: Weiß die ÖVP, was sie da tut?