ZAHLEN ZUM TAG. Was bei der gescheiterten Reform in Vergessenheit geraten ist: das saisonale Problem.
Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) hat verkündet, dass keine Reform des Arbeitslosengeldes möglich ist. Das dürfte nicht nur an den Grünen liegen, sondern auch an traditioneller ÖVP-Klientel; damit gemeint sind Arbeitgeber. Die Einführung einer zweiwöchigen Wartefrist auf ein dann vorerst höheres Arbeitslosengeld wäre vor allem auf Kosten der Menschen gegangen, die nur vorübergehend „freigesetzt“ werden. Das sind sehr viele: Mehr als ein Drittel aller Arbeitslosen kehrt nach einer gewissen Zeit zum vorigen Arbeitgeber zurück.
Anders ausgedrückt: In Branchen, die saisonalen Schwankungen unterworfen sind, nützen Arbeitgeber die Möglichkeit, dann, wenn sie zwischendurch keine oder nur geringe Umsätze machen, Mitarbeiter „stempeln“ zu lassen, wie man früher gesagt hat. Sie müssen dann nicht von ihnen, sondern von der Allgemeinheit bezahlt werden. Zumal das nicht verboten ist, kann man niemandem einen Vorwurf daraus machen, dass diese Möglichkeit in Anspruch genommen wird.
In Österreich gibt es AMS-Bezirke, in denen sich das bemerkbar macht. Zum Beispiel in Spittal an der Drau (Kärnten), wo es relativ viele Beschäftigte im Baugewerbe gibt. Im Winter, wenn dort weniger los ist, belief sich die Arbeitslosenquote hier zuletzt auf bis zu 12,3 Prozent (Jänner 2022). Im Sommer war sie mit viereinhalb Prozent fast drei Mal niedriger.
Noch extremer sind die Verhältnisse im tourismusreichen Bezirk Landeck (Tirol): Hier bewegte sich die Arbeitslosenquote zuletzt zwischen 14 Prozent im November 2021 und 1,9 Prozent im vergangenen Juli. Im Winter beträgt sie in der Regel nur zwei, drei Prozent.