ANALYSE. SPÖ-Mann Doskozil will die Gesundheitskasse abschaffen, und mit der Pensionsanpassung, die sich abzeichnet, gehen weitreichende Folgen einher.
Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil nimmt es wirklich ernst mit dem starken Staat, den er in seinem Einflussbereich praktiziert. Zuletzt wagte der Sozialdemokrat einen Tabubruch: Er findet, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) überflüssig ist. Wenn er sich anschaue, wie viel das Land in den Zuständigkeitsbereich des Krankenversicherungsträgers hineinfinanziere, sage er: „Ich brauche keine ÖGK“, so Doskozil in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“. Wenn das Gesundheitssystem über Bund und Länder, also ausschließlich aus Steuermitteln, finanziert wird, wäre es laut Doskozil „viel effektiver“.
In seiner eigenen Partei ist das wenig überraschend gar nicht gut angekommen: „Landeshauptmann Hans Peter Doskozil überschreitet mit seiner Forderung nach Abschaffung der Selbstverwaltung der sozialen Krankenversicherung eine rote Linie“, erklärte Rainer Wimmer, Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG), gegenüber der APA.
Erledigt ist die Sache damit jedoch nicht. Die Sozialversicherung, bestehend aus Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung, mag noch länger bestehen bleiben, wird mehr und mehr jedoch zu einer Fassade. Die Senkung von Lohnnebenkosten steht eigentlich immer auf der Tagesordnung; damit wird sie finanziell geschwächt. Zusätzlich tun das wirtschaftliche Entwicklungen, die in absehbarer Zeit sehr mager ausfallen dürften und mit denen ein bescheideneres Beitragsaufkommen einhergeht.
Vor allem aber wird die Pensionsversicherung ausgehöhlt; bzw. das Prinzip, das damit verbunden ist, wonach Auszahlungen grundsätzlich von Einzahlungen abhängig gemacht werden. Natürlich: Durch die Ausgleichszulage („Mindestpension“) gibt es im Sinne einer Verarmungsverhinderung eine Grenze nach unten. Im Laufe der Jahre ist jedoch die Praxis zur Regel geworden, kleinere Pensionen stärker zu erhöhen als größere. dieSubstanz.at hat hier etwa 2018 die Frage aufgeworfen, ob Österreich unter diesen Umständen auf dem Weg zur Einheitspension sei.
Das passiert nicht von heute auf morgen, es handelt sich um einen längerfristigen Prozess, der nun aber vor einer starken Beschleunigung steht: Aufgrund der Teuerung gibt es Rufe nach einer zehnprozentigen Pensionsanpassung. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) kann sich eigenen Angaben zufolge acht bis zehn Prozent für „kleine und mittlere Pensionen“ vorstellen. Bei höheren würde das Plus demnach wohl niedriger ausfallen.
Das kann man insofern begründen, als die, die wenig haben, ganz besonders unter stark steigenden Preisen leiden, dass ihnen also stärker geholfen werden muss. Die Notwendigkeit, das zu tun, wird kaum jemand bestreiten. Es leitet jedoch zunehmend über zur Frage, welchen Sinn die gesetzliche Pensionsversicherung macht: Wenn es auf ein leistungsunabhängiges Grundeinkommens im Alter hinausläuft, wird früher oder später jemand auf die Idee kommen, Beiträge in Steuern umzuwandeln und Pensionen so ähnlich aus einer Hand zu finanzieren, wie es Doskozil für den Gesundheitsbereich vorschwebt.
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