Also doch Berufsheer

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ANALYSE. Die Wehrdienstzeit soll bleiben, wie sie ist, und auch verpflichtende Milizübungen sollen nicht wiedereingeführt werden: Die Konsequenz liegt auf der Hand.

Vor bald 20 Jahren wurde die Wehrdienstzeit von acht auf sechs Monate verkürzt, wurden außerdem die verpflichtenden Milizübungen abgeschafft. Der damalige Verteidigungsminister Günther Platter (ÖVP) begründete es damit: Die Bedrohungslage habe sich verändert und die hohe Einsatzbereitschaft der reinen Verteidigungskräfte sei nicht mehr erforderlich. Es entsprach den Einschätzungen der Zeit und auch einer Bundesheerreformkommission.

Umso bemerkenswerter ist, dass heute weder eine Wiedereinführung verpflichtender Milizübungen noch eine Rücknahme der Wehrdienstzeitverkürzung ein Thema ist: Über die Entwicklung der Bedrohungslage muss man nicht reden. Europa befinde sich in einem „Kriegszustand“, hieß es bei der Präsentation des „Risikobildes 2025“ des österreichischen Bundesheeres unter Verweis auf „hybride Angriffe“, die längst laufen.

Da wird man wieder einmal an einen Bericht des damaligen Verteidigungsministers Thomas Starlinger (Kabinett Brigitte Bierlein) im Jahr 2019 erinnert: Als Corona noch eher für eine Biermarke stand, schrieb er darüber, welche Herausforderungen unter anderm auch für die öffentliche Ordnung und Sicherheit mit einer Pandemie einhergehen würden. Wenige Monate später war es so weit. Vor allem aber forderte er unabhängig davon eine „Rückkehr zum Grundwehrdienst in der Dauer von acht Monaten mit verpflichtenden Milizübungen“.

Begründung: „Soldaten tragen in einem Einsatz das Risiko für Leib und Leben. Mit der Wehrpflicht einhergehend muss den einrückenden jungen Österreichern daher auch das Recht auf eine aufgabenadäquate Ausbildung und Ausrüstung, auf eine zeitgemäße Unterbringung und ihren größtmöglichen Schutz in Einsätzen und in der Einsatzvorbereitung zugestanden werden.“ Sprich: In sechs Monaten und ohne weitere Übungen lässt sich das nicht bewerkstelligen.

Das gilt heute mehr denn je: Ein militärischer Einsatz ist nicht ganz unvorstellbar geworden. Und: Die Bundesregierung erklärt sich – offenbar aus Überzeugung, dass das mit der Neutralität vereinbar ist – zu einer Europäischen Verteidigungsunion bereit, für die es mit Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags („Beistandspflicht“) bereits eine Grundlage gibt.

Da kann man sich fragen: Wird das alles nicht ernstgenommen? Ein Glaubwürdigkeitsproblem besteht jedenfalls: Bis 2012/13 war die SPÖ für die allgemeine Wehrpflicht und die ÖVP für ein Berufsheer. Dann sprach sich der seinerzeitige Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) für eine Volksbefragung aus, warb plötzlich die SPÖ für ein Berufsheer und die ÖVP – mit Verweis auf den damit verbundenen Zivildienst – für die Wehrpflicht. Ergebnis: 60 Prozent für deren Beibehaltung. Sicherheitsüberlegungen waren nebensächlich.

Seither gibt es eine Wehrpflicht, die für Verteidigungswecke nichts bringt, ja frei nach Starlinger verantwortungslos ist gegenüber den jungen Leuten, die einen Grundwehrdienst absolvieren. Woran auch eine Attraktivierung des Dienstes (z.B. durch eine Erhöhung des Soldes) nichts ändern würde, wie sie geplant ist.

Da facto läuft das auf ein Berufsheer hinaus: Für einen Einsatz kommen im Ernstfall ausschließlich die rund 16.000 Berufssoldaten des Bundesheeres in Frage. Zumal auch mehr und mehr anspruchsvolles Gerät bedient werden muss, das gekauft und gekauft und gekauft wird. Aber das ist eine andere Geschichte.

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