ANALYSE. Verräterisch ist, was ÖVP und Grüne zu Wiener Zeitung und Journalismus-Ausbildung bisher nicht geregelt haben. Rechnungshof und Akademie der Wissenschaften weisen darauf hin.
ÖVP und Grüne wollen nicht nur die älteste, noch immer erscheinende Tageszeitung der Welt einstellen. Sie wollen auch nicht nur ein Online-Medium daraus machen und unter dem Dach einer „Wiener Zeitung GmbH“ auch einen „Media Hub Austria“ für Journalismus-Aus- und Weiterbildung einrichten. Sie schaffen dabei vor allem Freiräume für Machtmissbrauch. Darauf lassen Auslassungen im Begutachtungsentwurf schließen, auf die etwa der Rechnungshof und die Akademie der Wissenschaften in ihren Stellungnahmen hinweisen.
Die „Wiener Zeitung GmbH“ wird zwar den Begriff „Zeitung“ enthalten, mit einer Zeitung aber nichts mehr zu tun haben. Es wäre so, also würden die ÖBB den Zugverkehr einstellen und Leute anders befördern, sich aber weiterhin Österreichische Bundesbahnen nennen.
Bei der „Wiener Zeitung GmbH“, die unter Kontrolle von Bundeskanzler Karl Nehamnner (ÖVP) und nachfolgenden Regierungschefs stehen soll, kann man die neuen Geschäftstätigkeiten nur grundsätzlich skizzieren: Es wird ein Online-Medium geben, das hin und wieder ein gedrucktes Magazin produziert; und es wird etwa den „Media Hub“ für Aus- und Weiterbildung geben.
Das ist verdächtig: Wenn etwas nicht klar geregelt ist, sollte man immer alle Möglichkeiten bedenken, die damit einhergehen könnten. Im Klartext: Ein Kanzler, der auf „Message Control“ setzt, könnte diese auch insofern umfassend pflegen, als er „sein“ Online-Medium und „seine“, sagen wir, Journalismusschule zu seinen Gunsten einsetzt. Einem Viktor Orbán würde es damit leicht gemacht werden.
Zumal für diese Dinge sehr viel Geld bereitgestellt werden soll. Für das Medium 7,5 Millionen jährlich und für die Schule sechs Millionen Euro jährlich. Und zumal die Verwendung zumindest im Begutachtungsentwurf nicht genauer geregelt ist. Zitat Rechnungshof: „Die Erläuterungen führen nicht aus, ob und in welchem Umfang die in § 10 festgelegten Dotierungen des Bundes für die einzelnen im Entwurf genannten – teilweise neuen – Aufgaben erforderlich sind. Eine nachvollziehbare Kalkulation der einzelnen Beträge enthalten weder die Erläuterungen zu § 10 noch die wirkungsorienterte Folgenabschätzung.“ Sprich: Es sind einfach nur Summen hingeschrieben worden.
Der Rechnungshof ist es auch, der in seiner Stellungnahme auf eine weitere Auslassung hinweist: Zur Erfüllung der geplanten Aufgaben seien keine Grundsätze vorgesehen, die zu beachten sind. Und: „Weiters ist in § 3 des Entwurfs eine „Unabhängigkeit“ der Wiener Zeitung, nicht jedoch für die Wiener Zeitung GmbH (§ 2 des Entwurfs) bzw. den Media Hub Austria (§ 4 des Entwurfs) vorgesehen, und auch diese „Unabhängigkeit“ wird nach keinen näheren Kriterien definiert.“
Bemerkenswert ist auch eine Stellungnahme, die Ex-Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) als Präsident der bzw. für die Akademie der Wissenschaften abgegeben hat: Einrichtungen zur Aus- und Weiterbildung seien an sich zu begrüßen. „Es sollte aber jedenfalls sichergestellt sein, dass diese transparent und unabhängig agieren können.“ Außerdem wären regelmäßige Qualitätskontrollen wichtig.
Derlei vermisst Faßmann im vorliegenden Fall: „Der angestrebte „Media Hub Austria“ lebt vom Vertrauen in seine Qualität und Unabhängigkeit. Wenn dieses Vertrauen nicht gegeben ist, muss befürchtet werden, dass die Ausbildung in einer derart gut dotierten Institution bei den zu erreichenden Zielpublikum – der Journalismus in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur oder Wissenschaft – nicht im erhofften Maß angenommen wird. Das wäre im Sinne eines qualitätsorientierten Journalismus zu bedauern.“