ANALYSE. In Österreich gehört dringend Bewusstseinsbildung betrieben. Nicht nur zur Sicherung des ORF.
„Korruption (von lateinisch corruptio: ‚Verderbnis, Verdorbenheit, Bestechlichkeit‘) ist der Missbrauch einer Vertrauensstellung. Der Missbrauch beginnt, wenn im Rahmen einer öffentlichen und/oder privaten und/oder wirtschaftlichen und/oder politischen Verantwortung, Vorteile erlangt werden oder erlangt werden sollen. Auftreten kann sie z. B. bei Genehmigungen, Posten- oder Auftragsvergaben, Verträgen, gesellschaftspolitischen Handlungen. Der Missbrauch besteht darin, Vorteile zu erlangen oder zu gewähren, auf die keine Ansprüche bestehen. Harold Dwight Lasswell definiert ihn als einen speziellen Vorteil, für den ein allgemeines Interesse verletzt wird.“ (Quelle: Wikipedia)
Das ist eine sehr gute Definition: Sie beschränkt sich nicht ansatzweise darauf, auf ein unzureichendes Strafrecht zu verweisen. Sie lässt andererseits offen, für wen Vorteile erlangt werden oder werden sollen. Und sie betont, dass es darum geht, ein allgemeines Interesse zu verletzen.
Vielleicht sollte man im Schulunterricht damit anfangen, Bewusstseinsbildung dafür zu betreiben (sofern es nicht geschieht). So könnte das wohl größte Problem in diesem Zusammenhang am wirkungsvollsten bekämpft werden: dass es nämlich keinen ordentlichen Korruptionsbegriff gibt.
Als Korruption gilt eher „nur“, sich eine erwünschte Entscheidung durch Verwaltung oder Politik kaufen zu können; durch ein paar Tausender in einem Kuvert. In Wirklichkeit aber ist es viel mehr – und das scheint nicht einmal dem Nationalratspräsidenten bewusst zu sein, der meint, für ein Inserat gebe es ein Gegengeschäft; oder einem ÖVP-Klubobmann, der findet, im Zusammenhang mit einer Postenbesetzung für einen ÖVP-Bürgermeister nicht unredlich interveniert, sondern aufrichtig ein Bürgeranliegen weitergeleitet zu haben (mit Erfolg).
Ja, vor allem in der Politik ist das Korruptionsverständnis unterentwickelt: Bei Funktionären mit einer Machtstellung im öffentlichen Bereich kann es bereits dann zu einem Missbrauch kommen, wenn es zu einer Vermischung mit persönlichen oder mit parteipolitischen Interessen kommt. Bei willkürlichen Inseratenvergaben, bei denen eine Gegenleitung erwartet wird, ist das der Fall. Oder bei der Hilfe für einen Gesinnungsfreund etwa, Chef eines Finanzamtes zu werden.
Oder beim Bemühen, den ORF im Sinne der Partei neu auszurichten. Ein leitender Kurier-Redakteur hat nach Auffliegen der Chats zwischen dem damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom bzw. dessen nunmehriger Beurlaubung in einem Kommentar bedauert, dass Rechte bei solchen Geschichten plump agieren und daher über sich selbst stolpern. Linke sind demnach geschickter, die SPÖ beherrsche dieses Spiel jedenfalls besser. Mag sein, doch was ist das für eine Kategorie?
Das Bedauern mag nur insofern zutreffend sein, als Freiheitliche 2000 und 2017 wirklich gemeint haben, sich schnell wie umfassend, also stümperhaft, den Teil der Macht holen zu müssen, der ihnen ihrer Ansicht nach als neue Regierungspartei zusteht. Nicht nur Ministerposten, sondern durchaus auch Teile des ORF etwa. Das ist aber nicht nur kein Niveau, es ist Korruption.
Es kann jetzt daher auch nicht darum gehen, dass sich nach Blauen Türkise den ORF zurechtrichten, wie es allein ihren Interessen entspricht. Das wäre wieder Korruption. Wenn, dann haben sie aufgrund ihrer Verantwortung als Vertreter einer Regierungspartei öffentlich-rechtliche Interessen zu beachten und dafür zu sorgen, dass sie gewahrt oder allenfalls durchgesetzt werden. Der ORF hat weder Links noch Rechts zu sein, er ist allen Menschen in Österreich verpflichtet.