Verkommen

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ANALYSE. Bundeskanzler Stocker sollte ein Problem damit haben, dass einer seiner wichtigsten Berater zugleich auch mit einem großen Medium zusammenarbeiten möchte.

„Die neuen Projekte des „Mr. Message Control“ lautet der Titel einer unscheinbaren Geschichte auf krone.at. Es geht um Gerald Fleischmann, der Ende der 2010er, Anfang der 2020er Jahre die Öffentlichkeitsarbeit für den damaligen Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz gemacht hat. Und vorübergehend auch mehr: Als Kurz als Regierungsmitglied für Medienagenden zuständig wurde, kümmerte sich Fleischmann auch darum. Ja, zu Beginn der Corona-Pandemie gab es zudem Pläne, unter seiner Führung „Fake News“ aufzuspüren und richtigzustellen. „Fleischmannbehörde“, titelte dieSubstanz.at damals.

Wenn man daran zurückdenkt und weiß, wie Kurz tickt, könnte einem noch immer mulmig werden. „Heute“ hat nach einem Gespräch mit ihm (Kurz) aus New York gerade berichtet: „Mit Sorge (er)blickt er auch ein enger werdendes Meinungsspektrum in Europa – im Unterschied zu den USA: „Auch wenn die Debatte hier mitunter emotional geführt wird – es gibt sie zumindest noch …““ Man könnte glauben, JD Vance spreche.

Laut krone.at geht Fleischmann jetzt also neue Projekte an. Wobei: Sein Hauptkunde als selbstständiger PR-Berater bleibe Kurz-Nachnachfolger Christian Stocker, den er bisher auch in seiner angestellten Funktion als ÖVP-Kommunikationschef beraten hat. Neu ist eher, was im letzten Absatz steht: „In Zusammenarbeit mit krone.tv“ wolle er einen „politischen Video-Podcast“ machen.

Nicht nur Sozialdemokraten und Neos sind irritiert: Immerhin ist laut „Standard“ offen, ob Fleischmann weiterhin an gemeinsamen Sitzungen zur Regierungskommunikation teilnehmen soll.

Gerald Fleischmann versteht sein Geschäft, er soll Aufträge und Möglichkeiten annehmen, wie es ihm gefällt. Ihm ist kein Vorwurf zu machen. Das Ganze ist aus der Sicht des Kanzlers zu betrachten. Wenn Christian Stocker politische Kultur wichtig wäre, hätte er zumindest Magenkrämpfe, wenn einer seiner Berater gleichzeitig auch mit dem Gegner zusammenarbeitet.

Ja, dem Gegner: Es ist nicht böse gemeint, zu einer funktionierenden Demokratie würde jedoch gehören, dass Medien auf der anderen Seite stehen. Es wäre daher Ausdruck einer gewissen Verkommenheit, als Kanzler zu sagen, es sei egal, wenn ein eigener Mann auch mit der Gegenseite tätig ist; oder gar eine Chance darin zu sehen, so vielleicht einmal zu einem Deal zu kommen.

Es geht nicht einmal darum, ob derlei vorgesehen ist, was hier auch ausdrücklich nicht unterstellt werden kann: Zu viel ist schon, dass die Möglichkeit besteht.

Derlei dürfte ausgerechnet Stocker, der die Demokratie eigenen Angaben zufolge sturmfest machen möchte, unter keinen Umständen zulassen. Sofern er das Problem sieht. Was nicht zynisch gemeint ist.

Erst wenn man Berichte von Greco, der Staatengruppe des Europarats gegen Korruption, liest, fällt einem auf, welche Verhältnisse in Österreich „normal“ sind. Wie hier ausgeführt, ist es in Wirklichkeit nicht normal, dass es für Mitarbeiter von Regierungsmitgliedern keine umfassenden Regelungen gibt. Sie müssten laut Greco jedoch sein, um Interessenskonflikte zu verhindern.

Das Beispiel Stocker/Fleischmann erinnert nun daran, dass man hierzulande noch viel weiter gehen und auch externe Berater miteinbeziehen müsste.

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