ANALYSE. Man muss nicht gleich von Neuwahlen sprechen: Folgen der Coronakrise und Ökosteuern sind jedoch eine größere Belastungsprobe für ÖVP und Grüne als die Bekämpfung der Pandemie.
In grundsätzlichen Fragen sind ÖVP und Grüne bisher mit überraschend viel Gleichklang durch die Coronakrise gekommen: Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat das zuletzt mit der Aussage unterstrichen, dass er Reisebeschränkungen ausweiten würde; der „strenge“ Zugang könnte auch türkis sein.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen gab es bisher zwei übergeordnete Ziele für die beiden Parteien: Zum einen die Verhinderung von Neuinfektionen; und zum anderen einen unbegrenzten Ausgleich für „Kollateralschäden“ in der Wirtschaft bzw. auf dem Arbeitsmarkt. Beides ist zuletzt mehr und mehr misslungen. Österreich hatte vorübergehend so viele Infektionen wie kaum ein anderes Land auf der Welt; und der wirtschaftlich Einbruch konnte laut OECD größer werden als in vielen EU-Ländern.
Natürlich muss man auch die Differenzen erwähnen, die es in den vergangenen Wochen und Monaten zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gegeben hat: Anschober konzentrierte sich auf die Ampel und zuletzt auf die Stopp-Corona-App, Kurz auf die Massentests – „an einem Strang ziehen“ schaut anders aus.
Gegen die Belastungsprobe für Türkis-Grün, die sich für 2021 abzeichnet, ist all das jedoch vernachlässigbar. Man kann sich das auch so vorstellen: Bisher ist es gewissermaßen darum gegangen, ein Feuer zu löschen; das beinhaltete eine gewisse Alternativlosigkeit. Schon bald geht es um dem Wiederaufbau; da gibt es ungleich mehr Optionen.
Wirtschaftlich und budgetär steht Österreich in absehbarer Zeit sehr schlecht da. Man kann sich zwar mehr Schulden leisten als etwa Italien und Spanien, das aber ist kein Trost. Die Wachstumsraten werden nicht ausreichen, damit sich der Staatshaushalt wie von selbst saniert. Das hätte Kurz gerne, ist jedoch illusorisch.
Sparmaßnahmen und wohl auch Steuererhöhungen – zumindest für einzelne Gruppen – werden nötig. Was heißt „werden“? Wer genau hinschaut, sieht, wie in den Kommunen schon alles gestrichen wird, was – aus Sicht der Verantwortlichen – nicht zwingend nötig ist; von Freizeiteinrichtungen bis hin zu Kulturellem. Das wird auch auf die Bundeseben zukommen. Beziehungsweise ist es schon angekommen: Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grünen) steht mit dem 1-2-3-Ticket bei maroden Ländern, Gemeinden und Verkehrsverbünden an; sie sagen sinngemäß, dass sie sich das nicht mehr leisten könnten.
Und es wird noch viel heftiger: 2021 sollte die Ökologisierung des Steuersystems auf Schiene gebracht werden. Eine Fußnote dazu haben die Grünen mit der NoVA-Novelle bereits durchbringen können. Ergebnis: Ihre Steuerpläne würden die wirtschaftliche Erholung nach der Krise „crashen“, schäumt der türkise Wirtschaftsbund. Was wird ihm zufolge erst eine CO2-Besteuerung tun? Nicht einmal die Abschaffung des Dieselprivilegs wird mir nichts, dir nichts durchgehen: Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hat sich bereits ausdrücklich gegen eine solche Maßnahme ausgesprochen. Und das war vor der Krise, die etwa auch Frächtern ganz massiv zusetzt.
Wenn eine solche Ökologisierung trotz Wirtschaftskrise gehen soll, dann nur mit einem unmissverständlichen Bekenntnis des entscheidenden Mannes der österreichischen Politik: Sebastian Kurz müsste insbesondere den Lobbys in seiner eigenen Partei mitteilen, dass eine Ökologisierung nötig sei und bestmöglich mit der wirtschaftlichen Zukunft verbunden werden solle; und dass der eine oder andere mehr zahlen müsse, weil ernsthafte Klimapolitik nicht mehr warten könne. Zumindest bisher hat Kurz jedoch keine Andeutung in diese Richtung gemacht.
dieSubstanz.at spricht Sie an? Unterstützen Sie dieSubstanz.at >