ANALYSE. Als Kanzler und Parteichef wäre der 65-Jährige gefordert. Ob in Bezug auf die Schwierigkeiten der Bundesländer oder im Fall Mahrer. Er lässt die Dinge jedoch laufen.
Zwischen Kanzler- und Parteiamt wird in Österreich kein großer Unterschied gemacht. Das hat man Anfang Jänner gesehen, als die ÖVP im Kanzleramt eine Sitzung des Parteivortandes abhielt, und das merkt man jetzt: Seit Wochen hat die ÖVP eine Kampagne laufen mit dem Titel „Gemeinsam am Aufschwung arbeiten“. Parteichef Christian Stocker und andere versuchen darin, gute Stimmung zu machen. Jetzt hat das Kanzleramt eine Kampagne gestartet mit dem Titel „Stimmen für den Aufschwung“. Wieder ist Stocker vorne dabei. Größter Unterschied: Einmal übernehmen die Steuerzahler über die Parteienförderung die Rechnung, einmal direkt.
Der Kanzler ist wieder da. Nach einer Operation hat er am jüngsten Ministerrat via Home-Office teilgenommen, wie man die Gratiszeitung „Heute“ mit Fotobeweis wissen lässt. Gefordert wäre Stocker darüber hinaus. Bei weitem nicht nur durch den Krankenstand seit Ende Oktober hat sich viel aufgestaut.
Es geht um Führungsschwäche, um fehlende Klarheit. Mit dem Slogan „Das Richtige tun“ ist der heute 65-Jährige in die Regierungsarbeit gestartet. Die Richtung dessen, was richtig sein soll, ist jedoch schwer erkennbar geblieben.
Zuletzt hat sich Stocker – vielleicht als ÖVP-, vielleicht als Regierungschef – nicht weniger kryptisch als sein deutscher Amtskollege Friedrich Merz zum „Stadtbild“ geäußert. Wie im Nachrichtenmagazin „News“ ausgeführt, ist das riskant gewesen: Es bleibt der Phantasie der Bürgerinnen und Bürger überlassen, was gemeint sein könnte. Es wird wohl um Migration gehen, oder? These: Rechte wie die AfD oder die FPÖ sagen danke: Sie liefern – im Unterschied zu Stocker und Merz – unmissveständliche Antworten auf Probleme, die diese in den Raum stellen. Stichwort Nullzuwanderung, Stichwort Remigration.
Es ist so ähnlich wie bei Karl Nehammer, der mit „Normalität“ und „Leitbild“ versucht hat, Debatten anzugehen, dann nicht auf den Boden gebracht und somit Kickl überlassen hat. Ergebnis: siehe Nationalratswahl 2024.
Christian Stocker wäre als Kanzler und ÖVP-Chef vielfach gefordert: Die Bundespartei tut derzeit so, als seien die Geschichten mit Karl Mahrer nur eine Angelegenheit des Wirtschaftskammer. Dabei betreffen sie die Wirtschaftskompetenz der Partei im Allgemeinen und den Wirtschaftsbund im Besondern. Das ist ihr mit Abstand wichtigster Flügel. Lahmt er, stürzt sie ab. Der ÖAAB und der Bauernbund werden sie kaum retten.
Oder in Sachen Budget, bei dem es zunehmend um einen Machtkampf der Länder gegen den Bund geht, bei dem man sich nicht des Eindrucks erwehren kann, dass die Länder merken, dass sie auch parteipolitisch sehr, sehr stark sind: Den „schwarzen“ ist klar, dass sich Stocker zwar dankenswerterweise angeboten hat, für Nehammer einzuspringen vor bald einem Jahr, ihnen ist aber auch bewusst, dass er eher nur ein Statthalter ist. Dass sie mit ihm leichtes Spiel und gute Chancen haben könnten, sich durchzusetzen mit dem, was sie wollen.
Die sich bezeichnenderweise gleich auch um den Fall Mahrer kümmern: Johanna Mikl-Leitner und Thomas Stelzer sprechen den Schaden an und legen dem Kammerpräsidenten den Rücktritt nahe.