Signale, die fehlen

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ANALYSE. In Wien ist nicht klar, dass die Regierung mit ihren arbeitslosen Stadträten nicht vergrößert werden sollte. Und auf Bundesebene fehlen Ansätze für ein „Kathedralendenken“.

Über nicht amtsführende Stadträte in Wien hat der Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik im Online-Medium „WZ“ einmal gesagt, ihr Hauptzweck sei es, „dass sie nichts tun“. Man könnte auch sagen: Sie nehmen eine Funktion ein, sollen diese aber nicht ausüben. Es handelt sich um das Ergebnis davon, dass ein Proporzsystem weitergeführt, aber nicht gelebt wird. „Gelebt“ würde bedeuten, dass alle Fraktionen mitregieren. Hier aber tun das nur die Fraktionen, die sich zu einer Koalition zusammenfinden. Und hier gibt es für die Vertreter der Opposition eine Entschädigung bzw. ein Gehalt in Höhe von 11.318,40 Euro brutto pro Monat. Ihren Klubs stehen im Übrigen Vergütungen zu, sodass sich durch die insgesamt fünf nicht amtsführenden Stadträte, die es in Wien gibt, für die Steuerzahler Gesamtkosten in Höhe von 1,3 Millionen Euro jährlich ergeben.

Bei den nun laufenden Koalitionsverhandlungen der SPÖ von Bürgermeister Michael Ludwig und den Neos ist nicht klar, dass das geändert gehört. Es wird allenfalls darauf verwiesen, dass dazu eine Verfassungsänderung auf Bundesebene nötig wäre. Als könnte Ludwig keinen Einfluss darauf nehmen. Als könnte er mit den Pinken nicht auch Druck auf ÖVP und vor allem die FPÖ ausüben, die sich immer so besorgt um die Steuerzahler gibt, diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. Nein, es ist schlimmer: Bei den Verhandlungen wird über eine Vergrößerung der Regierung geredet. Dann würden der SPÖ wie bisher sechs Mitglieder bleiben. (Für die Neos, die eines stellen, würde sich nichts ändern.)

1,3 Millionen Euro sind im großen Kontext nichts. Es geht aber um Signale. Für die Politik im Allgemeinen sowie für SPÖ und Neos im Besonderen. Hier ist offenbar noch nicht gesickert, dass eher viele Jahre voller Einschnitte bevorstehen, die für Bürgerinnen und Bürger spürbar sind. Sonst wäre logisch, dass diese Einschnitte nur durchgesetzt werden können, wenn überall gleichermaßen angesetzt wird, wie auch Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) in der Budgetrede betont hat. Ja, wenn zuerst auf Ebenen wie einer Wiener Stadtregierung angefangen wird, die für die Einschnitte verantwortlich zeichnen.

Für die SPÖ selbst wäre das wichtig, weil es bei der Budgetsanierung gerade um (sogenannte) kleine Leute geht. Und für die Neos, weil sie ursprünglich erklärt haben, dass sie überhaupt für die Abschaffung nicht amtsführender Stadträte, ja generell für einen schlanken Staat seien.

Solche Signale fehlen auch auf Bundesebene: Die Parteienförderung wird im Unterschied zu Familienleistungen einfach nur ein Jahr nicht indexiert, nicht zwei. Dabei wäre es demokratiepolitisch wichtiger, nicht ständig bei Politikerbezügen zu bremsen, sondern bei den Parteien, die sich Politiker bzw. Mandatare halten, um es brutal zu formulieren.

Signale wären auch wichtig, um den unendlichen Herausforderungen gerecht werden zu können: Grundsätzlich erscheint das unmöglich. Wie will man, ausgehend vom bestehenden Problembewusstsein, ein breites Verständnis dafür schaffen, dass Pensionen, Gesundheit und Pflege nicht einfach so weiter finanziert werden können; dass man Steuern erhöhen oder an verschiedenen Stellschrauben ganz schön drehen muss? Wie will man Chancengerechtigkeit und Wohlstand auch nur halten? Wie will man in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik weiterkommen, und zwar schnell? Wie will man der Klimakrise gerecht werden, was mit Tälern tun, die sprichwörtlich, wie in der Schweiz das Lötschental soeben, unter einem Berg verschwinden? Mit „Hausverstand“?

Da wäre es angebracht, zu dem zu kommen, was auf diesem Blog unlängst unter Verweis auf den wissenschaftlichen Dienst das Parlaments als „Kathedralendenken“ bezeichnet worden ist. Damit gemeint sind generationenübergreifende Zugänge. Bei Kathedralen war allen, die am Baustart beteiligt waren, klar, dass sie die Fertigstellung nicht mehr erleben werden. Trotzdem haben sie sich an die Arbeit gemacht.

Wie kommt man dazu? Zum Beispiel könnte ein ständiger Rat eingerichtet werden, mit klugen Leuten, die all die Themen abdecken. Ihm müsste nicht nur eine beratende Funktion zugestanden werden: Wichtiger wäre es zunächst, dass man ihn Probleme aufreißen und sie öffentlich diskutieren lässt. Dass von einem Punkt in, sagen wir, 50 Jahren mit dem Ansatz ausgegangen wird, zu tun, was nötig ist, damit es auch dann noch bestmögliche Bedingungen gibt: Kommt das in größeren Teilen der Öffentlichkeit an, könnte so sogar der Druck aufgebaut werden, den demokratische Politik braucht, um kurzfristig Unpopuläres anzugehen.

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