Signa, das Politikum

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ANALYSE. Signa und Benko sind nicht nur Opfer „externer Faktoren“ und der ganze Fall ist nicht nur ein solcher des Insolvenzrechts. Oder: Warum es letzten Endes auch um die 2. Republik geht.

Die Regierungsspitze bemühte sich, den Ball flach zu halten: „Ich sehe kein Politikum, das ist ein Fall des Insolvenzrechts“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Wichtig sei, dass die Finanzsituation stabil bleibe, und diesbezüglich schaue es gut aus, ergänzte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Also: Weitergehen, es sei nichts geschehen.

René Benkos Signa Holding GmbH hat beim Handelsgericht Wien einen Insolvenzantrag eingebracht. Wobei Benko selbst offenbar weiterkämpfen und (laut „Krone“) unter allen Umständen eine Insolvenz „in Eigenverantwortung“ erreichen möchte. Bei einer solchen würden seine Leute an den Schalthebeln bleiben und er weiter „aus dem Hintergrund durchregieren“, wie die Zeitung schreibt.

Signa selbst führte die Schwierigkeiten auf „externe Faktoren“ zurück. Der deutsche Handelsexperte Gerrit Heinemann sprach zuletzt in einem ZIB2-Interview hingegen von einem Geschäftsmodell, das auf null Zinsen aufgebaut war, überbewerteten Immobilien und Milliarden-Verbindlichkeiten. Irgendwie toxisch. Und neben einem unübersichtlichen Firmengeflecht ortete Heinemann auch noch etwas, was nicht nur ihn wunderte: Dass man im 21. Jahrhundert auf Kaufhäuser gesetzt hat.

Wie konnte das Ganze zunächst überhaupt gutgehen? Eine schlichte Erklärung: Bei null Zinsen und ein paar Immobilien-Boomjahren hat sich sehr viel Geld verdienen lassen. Anders ausgedrückt: René Benko bot sich an, das Geld von Investoren zu mehren. Sie sind gerne darauf eingestiegen. Wie er’s anlegt, das hat sie nicht weiter interessiert, so lange das Ergebnis gepasst hat.

Moral war egal. Auch Ex-Kanzler und -SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer war für den gebürtigen Tiroler tätig. Er nützte Kontakte, Benko zahlte, was sie ihm (bzw. Signa) wert waren. So funktioniert Markt. Das Problem ist, dass das Millionenhonorar mit dem, wofür die Sozialdemokratie heute stehen möchte, exakt gar nicht vereinbar ist; nämlich hart arbeitende Menschen, die so wenig verdienen, dass sie kaum über die Runden kommen. Und dass Andreas Babler selbst gesagt hat, dass ihm das nicht gefällt, worauf sich Gusenbauer hier eingelassen hat.

Insofern ist diese Geschichte ein Politikum. Aber nicht nur aus diesem Grund. Benko hat viele Ex-Politiker:innen für sich arbeiten lassen. Auch Herbert Kickls (FPÖ) frühere Parteifreundin Susanne Riess (zu Vizekanzlerin-Zeiten Anfang der 2000er Jahre Riess-Passer). Oder Sebastian Kurz (ÖVP).

Das Nachrichtenmagazin „News“ hat ihn auf dem Cover seiner aktuellen Ausgabe: „Millionen für Kurz“, so der Titel. Seit heuer stehe auch der türkise Altkanzler auf der Payroll von Benko. Der ihm (Kurz) nahestehende „Kurier“ beeilte sich zwar, zu berichten, dass ihm „nicht einmal die Hälfte“ überwiesen worden sei und ihm „Signa“ daher eineinhalb Millionen Euro schulde. Das macht jedoch nichts besser. Politisch, nämlich.

Die 2. Republik ist in Not: Man muss es so deutlich sagen. Die Mitte ist implodiert. Seit Veröffentlichung der Pilnacek-Aussagen über schwarz-türkise Interventionsversuche gegen Staatsanwaltschaften hat die ÖVP das Kanzleramt de facto aufgegeben, um sich ganz auf eine Abwehrschlacht zu konzentrieren. Inkl. Untersuchungsausschuss gegen zwei Oppositionsparteien. Neos und Grüne können das Vakuum nicht füllen.

FPÖ-Chef Herbert Kickl versteht es als Berufspolitiker möglicherweise wirkungsvoller als Andreas Babler, für einen beträchtlichen Teil der Wählerschaft den Eindruck zu erwecken, er habe mit dem politischen System nichts zu tun. Wobei er dieses System gerne so darstellt, dass man alles damit verbinden kann. Nicht nur Organe, die relevant sind für die Demokratie, sondern auch Praktiken.

Sebastian Kurz ist insofern ein besonderes Geschenk für ihn: Was hatte dieser mit seinem Gerede von neuem Stil nicht Hoffnungen geweckt und dann enttäuscht. Ein Gutteil der Verachtung für die Politik ist auf ihn zurückzuführen. Und sie verstärkt sich nun durch Kickls Darstellung, wonach die Leute der Politik in der Pandemie genauso egal gewesen seien wie bei der Teuerung. Ja, sie droht nun durch das noch weiter zuzunehmen, wofür Signa und Benko stehen: Hemmungsloser Kapitalismus, dem alles, was morgen ist, genauso egal zu sein scheint wie der Zustand der Gesellschaft – und dem dann auch noch Teile der Politik dienlich sind (vgl. zum Beispiel Regierungsdienste beim Kauf der Immobilie Mariahilfer Straße 10-18, die „Addendum“ skizziert hat)

Kickl werde raufgeschrieben, warnte Anneliese Rohrer unlängst in der „Presse“. Das hat was. Andererseits wird vielleicht aber auch nur beschrieben, wie er großgemacht wird, um letzten Endes den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zu kopieren und die Republik zu zertrümmern. Stück für Stück.

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