ANALYSE. So berechtigt Kritik am Krisenmanagement der Bundesregierung ist: Mikl-Leitner und Co. machen es sich zu einfach. Sie sind Teil des Problems.
Der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) geht es nicht um die Sache. Würde es das tun, hätte sie am vergangenen Wochenende Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) zu sich nach St. Pölten oder Klosterneuburg (Wohnort) zitiert, um ein paar Dinge zu besprechen: „Karl“, hätte sie gesagt, „reiß Dich zusammen, Du musst jetzt Führungsqualitäten zeigen. Außerdem müssen wir die Strom- und Gaskostenbelastung für die privaten Haushalte begrenzen. Und zwar schnell. Verstanden?“
Mikl-Leitner hat nicht diesen Weg gewählt, sondern es öffentlich über die Rampe gebracht. Sodass es eben alle hören können. Und das war wohl auch der Zweck des Ganzen: Sie glaubt, sich profilieren zu müssen. Bemerkenswert: Nach und nach ließen sich auch andere ÖVP-Landeshauptleute dazu hinreißen. Natürlich: Den Sozialdemokraten Hans Peter Doskozil (Burgenland) darf man nicht vergessen, er hat sich in der Tageszeitung „Österreich“ sogar für einen Spritpreisdeckel von 1,50 Euro pro Liter ausgesprochen. Bei ihm aber hat das eine andere Qualität. Als Vertreter einer Oppositionspartei auf Bundesebene ist es in seinem Fall nicht ganz so abwegig, diesen Weg zu wählen. Bei den Schwarz-Türkisen ist es hingegen obmann- wie kanzlerschädigend. Auf diskrete Möglichkeiten, bestimmte Dinge durchzusetzen, wird gepfiffen.
Hier wiederholt sich, was sich bereits in der Coronakrise zugetragen hat: Auf der einen Seite eine überforderte Bundespolitik, auf der anderen Seite Landeshauptleute, die überwiegend dazu tendieren, wahrnehmbaren Stimmungen in der Bevölkerung gerecht zu werden. Wie das in der Vergangenheit ausging, ist bekannt: In Oberösterreich und Salzburg wollten die Landeshauptleute Thomas Stelzer (ÖVP) und Wilfried Haslauer (ÖVP) im November nichts von Maßnahmen wissen, bis ganz Österreich mit in einem harten Lockdown gehen durfte. Zugleich setzten die Landeshauptleute gegenüber einem schwachen Übergangskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) die Einführung der Impfpflicht durch, ehe sie unmittelbar nach der Beschlussfassung durch das Parlament begannen, nichts mehr davon wissen zu wollen.
Sie tragen damit Verantwortung für ein schwerwiegendes Problem: Eine Pflicht ist zwar beschlossen, aufgrund eines größeren Widerstandes letzten Endes aber ignoriert worden; schließlich ist sie überhaupt ganz gestrichen worden. Ein Staat, der so agiert, riskiert einen fürchterlichen Glaubwürdigkeitsverlust.
Die Landeshauptleute gehören in die Pflicht genommen: Wenn Mikl-Leitner „Zusammenstehen und Zusammenhalten“ von der gesamten Bundespolitik (inkl. Opposition) lediglich auf einer Pressekonferenz verlangt, tut sie so, als würde sie nicht dazugehören. Dabei ist sie – indirekt, aber doch – ein entscheidender Teil davon, sind es in der Realverfassung doch eher Landeshauptleute, die anschaffen und ÖVP-Vertreter:innen unter ihnen, die sich einen Parteichef und (sofern Schwarz-Türkis die Regierung führt) Kanzler machen. Zuletzt in Person von Karl Nehammer im vergangenen Dezember. Zuvor hatten sie Sebastian Kurz freie Hand gegeben, bis es ihnen aufgrund all der Korruptionsaffären nicht mehr gefiel.
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