ANALYSE. Die Regierung ist gut beraten, die Opposition in den Kampf gegen das Coronavirus einzubinden.
Pamela Rendi-Wagner macht derzeit nicht so sehr als Politikerin von sich reden, sondern als Expertin: Sie hat schon vor Wochen darauf gedrängt, genügend Betten für COVID-19-Patienten bereitzustellen, fordert ein „einheitliches und zentral gesteuertes Vorgehen“ und Tests, Tests, Tests. Klar: Hier spricht erstens die Medizinerin, die zweitens auf Infektionskrankheiten spezialisiert ist und drittens als ehemalige Leiterin der Ministerialsektion für die öffentliche Gesundheit weiß, worum es geht.
Immer öfter werden Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (ÖVP) denn auch aufgefordert, Rendi-Wagner in den Krisenstab aufzunehmen. Das hat was. Sie wären jedoch nicht nur aufgrund ihrer Kompetenzen gut beraten, einen solchen Schritt zu setzen.
Es geht vielmehr darum: Gerade weil sich Österreich in einem Ausnahmezustand befindet, zusammenstehen muss, Parteipolitik keine Rolle spielen sollte und viele Freiheitsrechte, die für eine Demokratie kennzeichnend sind, nicht mehr gelten, braucht es eine Einbindung der Oppositionsspitze; also von Pamela Rendi-Wagner (SPÖ), aber auch Norbert Hofer (FPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos). Dringliche Nationalratssitzungen, bei denen mehr oder weniger alternativlose Beschlüsse gefasst werden, können das nicht ersetzen.
Doch eines nach dem anderen: Die politische Verantwortung tragen nach wie vor Regierende. Sie sind jedoch zu Maßnahmen gezwungen, die alle 8,9 Millionen Österreicherinnen und Österreicher in einer einzigartiger Art und Weise zu spüren bekommen; und die, wie das 38-Milliarden-Euro-Hilfspaket, weit über die laufende Legislaturperiode hinaus Spuren hinterlassen werden.
Da gebietet es schon allein die Vernunft, alle (relevanten) politischen Kräfte einzubinden. Das kann nicht nur von der relativ dünnen Mehrheit, die ÖVP und Grüne bilden, durchgezogen werden; das sollte von möglichst allen Volksvertretern (!) mitgetragen werden. Das hätte nicht zuletzt auch eine integrative, stärkende Wirkung.
Die Einbindung wäre angebracht, zumal es auch Maßnahmen gibt, die in Bezug auf die Verfassung bisher für unmöglich gehalten worden sind. Dass man das Haus nicht mehr verlassen darf bzw. auf der Straße gegenüber der Polizei eine Erklärung dafür haben sollte, warum man es doch verlassen hat. Dass man (wenn auch noch anonymisiert) insofern überwacht wird, als Handy-(Standort-)Daten der Regierung übermittelt werden. Und so weiter und so fort.
Das sind Maßnahmen, die zur Bekämpfung des Coronavirus und aufgrund des Ausnahmezustandes notwendig sein können. In diesem Ausnahmezustand gehört aber eben nicht nur von einem nationalen Schulterschluss geredet; er sollte auch glaubwürdig praktiziert werden. Weil es hier nicht nur um Türkis-Grün geht, sondern zumindest um Türkis-Grün-Rot-Blau-Pink bzw. summa summarum Rot-Weiß-Rot.
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