ANALYSE. Zwischen der Leistung von Schülern und ihrer Benotung nach Ziffern gibt es keinen brauchbaren Zusammenhang, wie Studien zeigen.
Lehrer haben es schwer: Wie Sachverständige in anderen Bereichen sollen sie in ihrem Job die Leistung von Schülern von Eins, wie „Sehr gut“, bis Fünf, wie „Nicht genügend“, bewerten. Zu einem wesentlichen Teil ist das jedoch Ansichtssache. Was schon einmal auf die gesetzlichen Grundlagen zurückzuführen ist: Mit „Nicht genügend“ beispielsweise sind Leistungen zu beurteilen, mit denen der Schüler nicht alle Erfordernisse für die Beurteilung mit „Genügend“ erfüllt; und „Genügend“ sind Leistungen, mit denen die Anforderungen des Lehrplanes nur „in den wesentlichen Bereichen überwiegend erfüllt“ sind. Sprich: Da sind Ungerechtigkeiten vorprogrammiert. Und wirklich: Studien zeigen, dass Noten recht wenig über die Leistung von Schülern aussagen.
ÖVP und FPÖ wollen die Noten an den Volksschulen, wo sie umfassenderen Beurteilungen gewichen sind, wieder einführen. Heinz-Christian Strache spricht von „Notenwahrheit“. Kritiker sehen eher ein Retroprogramm. Was, so lange nicht eine ganz neue Form der Benotung kommt, nicht ganz falsch ist.
Gefordert wurden Noten einst von Adeligen, „um nicht allen Schülern den Zugang zum Gymnasium zu ermöglichen“. (Peter Fischer)
Die heutigen Noten gehen unter anderem auf eine Studienordnung an Jesuitenschulen zurück. Sie stammt aus dem Jahr 1599 – und die Noten reichten von Eins bis Sechs, wobei das laut einem Vortrag des Lehrerausbildners Peter Fischer von der PH Vorarlberg für „zu entfernende“ Schüler stand. Fischer berichtet zur Geschichte übrigens auch, dass Noten in Österreich-Ungarn nach Einführung der allgemeinen Schulpflicht nicht zuletzt auf Druck der Adeligen eingeführt wurden – und zwar, „um nicht allen Schülern den Zugang zum Gymnasium zu ermöglichen“.
Leistungsfeststellungen zeigen immer wieder, dass eine Beurteilung durch Noten allein nicht genügend ist: Sie ist eben von der Einschätzung eines Lehrers, dem Schulstandort und etwa dem Niveau einer Klasse insgesamt abhängig. Laut PISA-Studien gibt es in Österreich keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Fünfern und den Untersuchungsergebnissen.
Jeder fünfte Volksschüler erhielt ein „Sehr Gut“ oder „Gut“ , obwohl er massive Probleme hatte.
Zuletzt deutlich geworden ist das auch bei einem Wiener Lesetest: „Jeder fünfte Volksschüler hat im Abschlusszeugnis der vierten Klasse 2012 ein „Sehr Gut“ (drei Prozent) oder „Gut“ (17 Prozent) im Fach Deutsch, Lesen, Schreiben erhalten, obwohl er massive Probleme beim Lesen hat“, so die Tageszeitung „Der Standard“ in einem Bericht darüber. Das Problem: Davon hängt auch die Zugangsberechtigung zum Gymnasium ab. Doch das ist offenbar eine sehr alte Geschichte.
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