ANALYSE. ÖVP und SPÖ müssen froh sein, wenn Stocker und Babler durchhalten. Sie jetzt abzulösen, wäre ein schwerer Fehler.
„Die Zeit des Redens ist vorbei“, sagt Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) nach der Rückkehr aus dem Krankenstand bzw. dem Homeoffice, in dem er nach einer Rückenoperation im Ende Oktober gewesen ist. Jetzt soll also Tun angesagt sein. Um insgesamt eine Milliarde Euro sollen die Energiekosten im kommenden Jahr gesenkt werden. Nach bereits geplanten 500 sollen weitere 500 Millionen Euro dafür eingesetzt werden.
Der Auftritt und die Ansage des Kanzlers ist auch der Tatsache geschuldet, dass seine lange Abwesenheit Spekulationen befeuert hat; dass es da und dort schon hieß, dass er vielleicht zurücktreten werde und ihm zum Beispiel der ambitionierte Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmansdorfer nachfolgen könnte. Zumal ÖVP und Regierung aufgrund der verheerenden Umfragewerte einen Neustart nötig hätten.
Der Boulevard schreibt derweil weiter den Vizekanzler nieder. In Wirklichkeit ist der Rückhalt für Andreas Babler gering in der SPÖ, gibt es aber keine Gegenbewegung. Woher denn auch? Die Genossen in Vorarlberg spielen keine Rolle. Die Tiroler, Salzburger, Kärntner sowie die Nieder- und die Oberösterreicher sind im Hinblick auf kommende Landtagswahlen mit sich selbst beschäftigt, müssen schauen, wie sie sich aufstellen könnten. Die Steirer hängen in den Seilen, im Burgenland macht Hans Peter Doskozil die Gesundheit zu schaffen. Bleiben die Wiener bzw. Michael Ludwig und Co., die zwar nicht für, aber mit Babler an der Bundesparteispitze leben.
Nicht nur insofern ist es absurd, von einer Ablöse und Babler, aber auch Stocker zu reden: So wichtig es ist, Umfragewerte nicht aus den Augen zu verlieren, so wichtig ist es, nicht panisch zu werden.
Was zum Beispiel soll ein Wolfgang Hattmansdorfer als Kanzler und ÖVP-Chef, was ein Herr oder eine Frau X als Vizekanzlerin und SPÖ-VorsitzendeR besser machen? Hattmannsdorfer hat bisher nicht bewiesen, dass er für Höheres geeignet wäre. Im Gegenteil, sein Vorstoß gegen Teilzeit hat der Volkspartei eher Stimmen gekostet, weil es sich leidglich um eine Beschimpfung von Teilzeitbeschäftigten handelte und weil Hattmannsdorfer das Thema nicht zu Ende führte, sondern irgendwann aufgab; als wäre ihm der Stoff ausgegangen oder er über öffentliche Reaktionen erschrocken.
Neue Leute an der Regierungsspitze müssten Schwarz-Rot-Pink neu aufsetzen. Sie müssten also nicht nur selbst qualifiziert sein, sondern auch einen Plan haben, der im Sinne des Koalitionsganzen ist und von den eigenen Parteifreunden mitgetragen wird; der andererseits aber insofern schwer zu Erfolgen führen kann, weil auf absehbare Zeit die Teuerung das entscheidende Problem bleibt.
Das Verteidigungsministerium hat unlängst 1500 Österreicherinnen und Österreicher befragen lassen, wodurch sie sich bedroht fühlen: Die wenigsten Nennungen gab es für sehr Gefährliches, nämlich den Zerfall der EU (17). Die meisten gab es nicht etwa für Krieg oder Klimawandel (jeweils etwas mehr als 50 Prozent), sondern für „steigende Preise“ (mit ganzen 77 Prozent).
Das ist ein grundsätzliches Problem für Regierende, es zeigt, wie belastend die Teuerung für eine Dreiviertelmehrheit ist. Da müssen sie zwar, wie Stocker bei den Energiepreisen, zeigen, dass sie das wahrnehmen und auch etwas tun, können sich aber keinen nennenswerten Zuspruch erwarten, solange sich das nicht spürbar entspannt; so lange die Inflation in Österreich deutlich über dem gesamteuropäischen Niveau und über zwei Prozent bleibt.
Insofern müssen ÖVP und SPÖ froh sein, dass Stocker und Babler ihre Chefs bleiben: Noch mindestens ein Jahr gibt es nichts zu gewinnen für sie. Erst dann dürfte die Inflation – aus heutiger Sicht – auf gut zwei Prozent gesunken sein und könnte sich stimmungsmäßig etwas ändern zu ihren Gunsten.