ANALYSE. Vor lauter „2015 darf sich nicht wiederholen“ und „Grenzen schützen“ vergisst Österreich auf außenpolitische Initiativen und Hilfe vor Ort. UNHCR wurde heuer noch nicht einmal ein Kanzlergehalt überwiesen.
UNHCR veröffentlicht, was ist. Gemeint sind die Beiträge, die der größten Flüchtlingshilfsorganisation überwiesen werden. Heuer handelte es sich schon um 960 Millionen US-Dollar. 169 Millionen kamen von den USA, 127 von Deutschland, 83 von Dänemark und so weiter und so fort. Österreich steht erst ziemlich weit hinten auf der Liste. Mit 23. Nein, nicht mit 23 Millionen, sondern 23 Tausend: 23.110 US-Dollar, um genau zu sein. Umgerechnet in Euro entspricht das nicht einmal einem Kanzlergeld (22.273 Euro pro Monat).
Klar, das Jahr ist noch jung. Österreich kann noch liefern. Andererseits: Wie dieSubstanz.at regelmäßig berichtet, gehört die Republik nie zu den großen UNHCR-Unterstützern. Im Gegenteil, im vergangenen Jahr rangierte sie mit 3,96 Millionen Euro dicht gedrängt zwischen der Tschechischen Republik und Viktor Orbans Ungarn.
Das wiederum ist nicht die, aber eine Antwort darauf, was von Ankündigungen betreffend „Hilfe vor Ort“ zu halten ist. Wenig bis nichts. Kein Wunder: Österreichische Flüchtlingspolitik heißt Grenzen sichern. Und Schluss.
Von Türkis-Blau zu Türkis-Grün hat sich da nichts geändert, wie man jetzt sieht, da sich die Entwicklungen wieder zuspitzen.
„Wir werden eine klare Linie in der Migration verfolgen mit dem Ziel, die Außengrenzen der Europäischen Union bestmöglich zu schützen, gegen Schlepper anzukämpfen, das Sterben im Mittelmeer zu beenden und dort zu helfen, wo wir wirklich helfen können, nämlich in den Herkunftsländern.“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Anfang Jänner in seiner Regierungserklärung. Das entspricht im Wesentlichen auch dem Regierungsprogramm. Grenzen schützen, Grenzen schützen, Grenzen schützen ist dort mehrfach zu lesen: Am besten sollte dies über die europäischen Außengrenzen bewerkstelligt werden; und so lange das nicht lückenlos funktioniert, eben über die österreichischen Binnengrenzen.
2015 solle sich nicht wiederholen, so Kurz. Als würde sich irgendjemand danach sehnen. 2020 könnte sich 2015 jedoch wiederholen, weil der Krieg in Syrien noch immer andauert, weil die Türkei hier ein ganz grausemes Doppelspiel betreibt, weil … weil die Vertreter der EU-Mitgliedsländer nicht zu einer gemeinsamen Strategie finden und weil halt auch Österreich seit fünf Jahren keinen sichtbaren Beitrag leistet, obwohl es schon ebenso lang vor einer neuen Flüchtlingskrise warnt.
Von den möglichen, rot-weiß-roten Ansätzen, (erstens) zum Beispiel eine Mittlerrolle zwischen den Kriegsparteien zu suchen und (zweitens) humanitäre Hilfe vor Ort zu leisten, war bisher nichts Konkretes zu sehen. Und dazu ist auch im Regierungsprogramm nichts Konkretes vorgesehen. Konkret war in der Tagespolitik der vergangenen Wochen allenfalls die Absage an eine Fortsetzung der Marinemission „Sophia“ in den Gewässern vor Libyen. Begründung: „Im Grunde war Sophia immer vor allem eine Rettungsmission, die für Tausende illegale Migranten zum Ticket nach Europa wurde“, so Kurz.
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