Entscheidende Worte

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ANALYSE. Wohl noch kein Bundespräsident hatte so viel Gewicht wie Van der Bellen. Das hat auch mit seinen Reden zu tun.

Auch Ex-Kanzler, ÖVP-Chef Sebastian Kurz widmet sich dem Gedenken an die Wiener Terrornacht vor einem Jahr: „Egal ob politischer Islam, Links- oder Rechtsextremismus – wir werden entschieden dagegen ankämpfen und unsere Demokratie mit allen Mitteln verteidigen“, schreibt er am 2. November 2021 auf Facebook. Bundespräsident Alexander Van der Bellen war schon am Tag nach dem Anschlag präzisier. In einer Rede sprach er am 3. November 2020 von einem „anscheinend islamistisch motivierten Attentat“. Genaueres wusste man damals zwar noch nicht; das, was herkömmlich unter Links- oder Rechtsextremismus verstanden wird, konnte aber eher ausgeschlossen werden.

Im Übrigen betonte Van der Bellen so Wesentliches, dass es in Schulbüchern festgehalten werden sollte: Der Anschlag habe „unserer freien Gesellschaft“ gegolten: „Dem Leben in Gemeinschaft, in Toleranz, in Respekt füreinander.“ Kritik, Toleranz sei ja das Problem, das Gefährder aufkommen lasse, gab er keinen Platz: „Wir werden uns und unsere Werte schützen und verteidigen.“

Reden wie diese sind es, die dem Land guttun. Sie zeigen, dass es auch ohne Stimmungsmache geht. Konsequente Politik muss nicht bösartig sein; sie kann, wenn man so will, „prinzipenhart“ sein.

Noch nie ist in Österreich ein Bundespräsident so wichtig gewesen; und weil Van der Bellen den Herausforderungen gerecht wird, hat er diesem Amt so viel Gewicht verliehen, dass kein Mensch mehr von einem „Grüß-August“ in der Hofburg spricht.

Zwei große Regierungskrisen hat der 77-Jährige begleitet, um es vorsichtig auszudrücken. Beide Male erweckte er den Eindruck, der einzige zu sein, der unaufgeregt ist: 2019 nach dem Misstrauensvotum gegen das Kabinett von Sebastian Kurz und zuletzt beim Rücktritt von Kurz als Kanzler. Hier sagte er vor allem auch etwas, was Kurz unterlassen hat; was Van der Bellen nicht hätte sagen müssen, was aber umso beschämender war und ist für den ehemaligen Regierungschef: „Entschuldigung.“

„Voller Fokus auf die Arbeit für #Österreich“ – das Statement zu den aktuellen innenpolitischen Entwicklungen ⬇️ pic.twitter.com/sqSOsHJMkD

— A. Van der Bellen (@vanderbellen) October 10, 2021

Zitat aus der Rede des Bundespräsidenten, in der er sozusagen das Ende der jüngsten Regierungskrise verkündete und noch einmal auf die Ermittlungsberichte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Bezug nahm: „Lassen Sie mich noch etwas zum Sittenbild sagen, das wir gesehen haben, die Respektlosigkeit, die wir da gesehen haben. Diese Respektlosigkeit will ich nicht achselzuckend übergehen. Und daher möchte ich mich als Bundespräsident in aller Form für das Bild entschuldigen, das die Politik hier abgegeben hat.“

Wenn einer mächtig wird, muss man umso kritischer werden. Bei Van der Bellen sind aber immerhin zwei Dinge relevant: Zum einen ist er als Bundespräsident direktdemokratisch legitimiert. Zum anderen sorgt die Verfassung dafür, dass ihm Grenzen gesetzt sind. Gerade auch bei Regierungsbildungen (oder -umbildungen) ist er immer auch abhängig von den Mehrheitsverhältnissen auf parlamentarischer Ebene. Beim Rücktritt von Kurz als Kanzler wirkte auch eine Mehrheit der Nationalratsabgeordneten dafür mit. Sprich: Der Macht sind Grenzen gesetzt.

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