BERICHT. Kanzleramt protestiert gegen die Reformpläne von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP).
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) will die Normung, die bisher durch den Verein „Austrian Standards“ erfolgt, gesetzlich regeln; auch staatliche Einflussnahme per Weisungen ist vorgesehen. Dagegen protestiert nun das Kanzleramt. Die Pläne seien verfassungswidrig und im Übrigen unnötig, heißt es in einer Stellungnahme des Präsidiums, die ausdrücklich „für den Bundeskanzler“ Werner Faymann (SPÖ) gezeichnet ist.
Im Begutachtungsentwurf von Mitterlehner ist vorgesehen, dass die Normung zwar weiterhin durch einen Verein erfolgen soll; ob es sich dabei auch in Zukunft um „Austrian Standards“ handeln muss, wird offen gelassen. Das Institut läuft denn auch Sturm. Aus Sicht des Kanzleramts bemerkenswert ist freilich, dass per Gesetz die innere Organisation des Vereins vorgeschrieben werden soll. Das sei schlichtweg verfassungswidrig: „Sollte die im Entwurf vorgesehene Regelung über die innere Organisation des Vereines beibehalten werden, wird dadurch außerdem massiv in den Bestand und in die Rechte eines Vereins eingegriffen. Jeder derartige Eingriff bedarf der sachlichen Rechtfertigung oder des Vorliegens eines der Tatbestände allfälliger Gesetzesvorbehalte im Grundrecht der Vereins- und Versammlungsfreiheit. Beides scheint in mehreren Fällen nicht gegeben zu sein, dies insbesondere nicht in der Ungleichbehandlung eines Vereins mit allen anderen Rechtsträgern bzw. Nicht-Vereinen, in der Verpflichtung zur Aufnahme staatlicher Repräsentanten in Vereinsorgane, in der Beschränkung der wirtschaftlichen Selbstverwaltung und Einnahmengestion eines Vereins, in der Bindung einer nichtstaatlichen Institution an Weisungen und schließlich darin, dass dort, wo staatliche Eingriffe vorgenommen werden, keinerlei Rechtschutz vorgesehen ist.“
Vorgesehen ist im Begutachtungsentwurf auch, dass dem Verein „Weisungen“ erteilt werden können. Das sei unmöglich, so die Mitarbeiter von Bundeskanzler Faymann: „Nach der Bundesverfassung und der Lehre handelt es sich bei Weisungen um Anordnungen innerhalb der Verwaltung, die von einem übergeordneten an ein untergeordnetes Verwaltungsorgan ergehen. Da die Normungsorganisation kein untergeordnetes Verwaltungsorgan ist, sondern – selbst nach dem Anspruch des Gesetzes – eine eigenständige juristische Person außerhalb des Staates sein soll, sind Weisungen schlichtweg unmöglich.“
Das Kanzleramt bezweifelt überhaupt, dass ein Normengesetz erforderlich ist. In Deutschland oder Finnland gebe es ein solches beispielsweise nicht. Im Übrigen sei es Regierungslinie, nur noch das zu regeln, was zwingend notwendig ist. Damit wolle man der Deregulierung Rechnung tragen. Beweis dafür, dass auch das vorliegende Gesetz überflüssig sei, sei die darin enthaltene Ausnahmebestimmung, wonach der Österreichische Verband für Elektrotechnik „seine“ Normung weiterhin selbst vornehmen soll, von den vorgesehenen Änderungen also nicht betroffen sein soll.
Leiter der Präsidialsektion des Kanzleramts ist Manfred Matzka. Er wäre von den Reformplänen Mitterlehners auch persönlich betroffen, ist er doch Vizepräsident von Austrian Standards.