ANALYSE. Im Streit über die Obergrenze hat sich die Bundesregierung über das Recht hinweggesetzt.
„Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grundlage der Gesetze ausgeübt werden“, ist es eines der grundlegenden Prinzipien der österreichischen Bundes-Verfassung. In der Flüchtlingspolitik macht die Regierung jedoch eine Ausnahme davon – womit sie sich genau genommen außerhalb des Verfassungsbogens befindet, den ÖVP-Präsidentschaftskandidat Andreas Khol vor bald 20 Jahren für eine Bewertung der Freiheitlichen „erfunden“ hat.
Die Obergrenze ist rechtswidrig. Das hat Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) indirekt bereits in einem Interview mit der Kronenzeitung im vergangenen Oktober deutlich gemacht: „Das Menschenrecht sieht keine Obergrenze vor“, sagte er damals. Von Experten wird dies nun bestätigt: „Eine Obergrenze, die darin besteht, dass eine absolute Zahl festgelegt wird, ab deren Erreichen kein einziger Antrag mehr geprüft wird, ist mit völkerrechtlichen Vorgaben und unionsrechtlichen Vorgaben nicht kompatibel“, so Walter Obwexer von der Uni Innsbruck, der im Auftrag der Regierung an einem Gutachten zur Fragestellung mitgearbeitet hat.
Auf Regierungsebene wurde Ende Jänner eine „Obergrenze“ festgelegt: Demnach dürfen heuer nur 37.500 Asylanträge eingebracht werden.
Was die juristische Bewertung betrifft, gibt es jedoch drei Aspekte, die berücksichtigt werden müssen:
- Zur Beruhigung der Kritiker sprachen vor allem SPÖ-Politiker immer wieder davon, dass es sich nicht um eine „Obergrenze“, sondern nur um einen „Richtwert“ handle. Sprich: Es sind auch 37.501 oder mehr Anträge möglich. Wenn das wirklich der Fall ist, erübrigt sich die ganze Debatte naturgemäß.
- Auf der anderen Seite hat der Kanzler versucht, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Rechtliche Fragen müssten Juristen bewerten, sagte er im Februar: „Politisch sage ich, wir bleiben dabei.“ Sprich: Die rechtliche Bewertung ist uninteressant; die Politik setzt sich darüber hinweg.
- Was sie ohnehin schon allein dadurch tut, dass sie die Obergrenze weder in einem Gesetz noch in einer Verordnung festgeschrieben hat. Sprich: Sie zwingt die Verwaltung in diesem Fall ausdrücklich, ohne legistische Grundalge tätig zu sein – womit sie den Verfassungsbogen verlassen hat.