ANALYSE. Warum es Faymann zum Verhängnis werden könnte, gemeinsam mit Boulevardzeitungen gegen die deutsche Kanzlerin vorzugehen.
In der Flüchtlingskrise kommt da und dort fast schon Länderspielstimmung auf. Vor allem in österreichischen Boulevardmedien, die sich geschlossen hinter „ihren“ Kanzler Werner Faymann gestellt haben. „Knallhart“ sei er diese Woche in Brüssel aufgetreten, jubelt Michael Jeanée in der „Krone“ und schreibt von einem „Gipfel-Stürmer im Fokus der Weltpresse. Dreimal so oft im Bild wie Angela Merkel“ – ja, „so fest im Kanzlersattel“ sei er möglicherweise noch nie gesessen. Merkel, so erfährt man in dem Kleinformat außerdem, stehe zunehmend allein da; die EU wendet sich laut „Österreich“ von ihr ab.
Für Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) könnte all das noch verhängnisvoll werden: Er selbst hat sich sang- und klanglos vom Partner Merkels zu einem ihrer größten Widersacher gewandelt. Man könnte auch sagen, er sei ihr in den Rücken gefallen. Und das beschädigt die nachbarschaftlichen Beziehungen nachhaltig. Um nicht missverstanden zu werden: Man muss gegenüber einer deutschen Kanzlerin nicht buckeln. Im Gegenteil. Differenzen gehören jedoch, wie in jeder ordentlichen Beziehung, direkt ausgetragen – und nur dann, wenn das ganz und gar nicht möglich ist, zur Rechtfertigung des eigenen Standpunktes auch über Medien.
Diese Medien, die Faymann da – auch mit Regierungsinseraten – füttert, wird er nicht mehr los.
Diese Medien, die Faymann da – auch mit Regierungsinseraten – füttert, wird er nicht mehr los. Sie verlangen jeden Tag noch schärfere Ansagen. Und diese Bedürfnisse zu erfüllen, wird ihm irgendwann einmal nur noch schwer möglich sein. Zumal Merkel viel besser dasteht, als es Faymann, „Krone“ und Co. vermitteln: Sie steht noch immer an der Spitze der europäischen Wirtschaftsnation schlechthin. Würde sie die Grenzen schließen, würde also nicht so sehr ihr Land darunter leiden, sondern insbesondere etwa ein „Zulieferer“ wie Österreich. Diese Karte spielt Merkel zum Glück nicht aus; alle wissen aber, dass es sie gibt.
Kanzlerfrage: Merkel hält in Deutschland 50 Prozent, Faymann in Österreich 18.
Vor allem aber genießt Merkel noch immer mehr Rückhalt in ihrer Bevölkerung, als es Faymann hierzulande tut: Laut einer aktuellen „Forsa“-Umfrage (2501 Teilnehmer) für „Stern“ und „RTL“ antworten 50 Prozent der Deutschen auf die Frage, wer denn Kanzler sein solle, mit: Merkel. Das ist der höchste Wert in diesem Jahr. Faymann hält bei derselben Frage laut „Der Standard“/Market-Institut in Österreich exakt 18 Prozent.
Bemerkenswert ist auch, das der Forsa-Erhebung zufolge zwar 49 Prozent der Deutschen meinen, es sollten keine Flüchtlinge mehr kommen, aber immer noch 35 Prozent sagen, es könnten ruhig noch mehr werden. Und dass mit 52 Prozent nicht die Zahl der Flüchtlinge den Menschen die größten Sorgen bereiten, sondern mit 83 Prozent die Angriffe auf deren Unterkünfte und rassistische Gewalt. Womit Merkel vieles, ganz sicher aber keine deutliche Absage an ihren Kurs erfährt.