Wofür Krisper steht

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ANALYSE. In Österreich gibt es eine Krise der Opposition. Gerade auch in den Regierungsparteien.

Opposition bedeutet Widerspruch. Gemeint ist damit meist jener, der von den Oppositions- den Regierungsparteien entgegengebracht wird. Es ist aber viel mehr. Es geht auch um jenen, den Regierungsparteien aus den eigenen Reihen heraus brauchen, um glaubwürdig bleiben zu können.

Vielleicht haben das kleine ganz besonders notwendig. Auch wenn’s schwer ist. Siehe Neos: Nachdem die Abgeordneten Nikolaus Scherak und Stephanie Krisper vor der parlamentarischen Sommerpause gegen die Messanger-Überwachung gestimmt hatten, wurde ihnen eher nur Disziplinlosigkeit vorgeworfen und Parteichefin, Außenministerin Beate Meinl-Reisinger, dass sie ihre Leute nicht im Griff habe.

Das ist ein seltsames, ein österreichisches Verständnis in Bezug auf Nationalratsabgeordnete. Das freie Mandat ist ihm völlig fremd. Krisper und Scherak haben die Koalitionsmehrheit nicht gefährdet. Sie haben ihrer Partei eher einen Dienst erweisen und durch ihr Verhalten nach außen signalisiert, dass es für diese ein schwerwiegender Grundrechtseingriff und bei weitem keine Selbstverständlichkeit ist, diesen Eingriff im Sinne eines schwarz-rot-pinken Kompromisses mitzutragen.

Umgekehrt aber tun sich Neos wie vor ihnen schon Grüne schwer, mit solchen Abgeordneten umzugehen. Krisper zog die Konsequenz, sie resignierte und hat nun angekündigt, zurückzutreten. Andere bleiben, aber nehmen sich zurück, wieder andere leisten vorauseilenden Gehorsam.

Zu ersteren zählt Veit Dengler, der ursprünglich angekündigt hatte, gegen die Social-Media-Regelung zu stimmen, die es Kabinettsmitgliedern von Regierungsmitgliedern erlaubt, auf Steuerzahlerkosten parteipolitische Arbeit zu machen für diese. Eine klare Grenzüberschreitung. Dengler stimmte dann nicht dagegen – und seither ist nichts mehr zu hören von ihm.

Zu den anderen, die vorauseilenden Gehorsam leisten, gehören Abgeordnete, die Äußerungen erst nach Rücksprache mit der Fraktionsführung zur Veröffentlichung in Medien freigeben.

Die Grünen sind eine Warnung, was das alles betrifft: Sie sind in den vergangenen Jahren gereift, was Professionalität und den Umgang mit Regierungsverantwortung anbelangt. Sie haben als Partei aber auch verloren: Es ist bezeichnend, dass heute eher nur Ex-Regierungsmitglieder stehen für sie. Leonore Gewessler als Chefin und Werner Kogler als ihr Vorgänger, der noch immer aktiv ist. Darüber hinaus vielleicht noch Sigrid Maurer, die für Koalitionsdisziplin gesorgt hat. Sonst ist in den vergangenen Jahren – mit Ausnahme von Lena Schilling – kein neues Gesicht für die Grünen aufgekommen, gibt es heute niemanden, der über einen größeren Bekanntheitsgrad verfügt und politisch aufzeigt.

Neos wissen also, was sie riskieren. Sie können abgesehen davon nicht erwarten, dass potenzielle Wähler von ihnen akzeptieren, dass sie ausschließlich in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie in der Bildungspolitik aufzuzeigen versuchen; dass sie im Übrigen hinnehmen, was läuft, auch Korruption in Form von Postenschacher, wie sie von ÖVP-Klubobmann August Wöginger betrieben und zuletzt eingestanden worden ist.

Insofern ist es gefährlich von Meinl-Reisinger und Co., sich derart zurückzuhalten und den Eindruck zu erwecken, als wäre es auch für sie das selbstverständlichste der Welt, dass Wöginger keine politischen Konsequenzen ziehen muss, ja nicht einmal einen Rücktritt erwägen muss.

Sophie Wotschke, eine Neos-Abgeordnete, die man früher als Hinterbänklerin bezeichnet hätte, hat Wöginger jetzt nahegelegt zu gehen. Kommentar aus der Partei: „Wer Klubobmann der ÖVP ist, entscheidet allein die ÖVP.“ Sprich: Neos schlucken alles.

Es ist seltsam. Warum kann man nicht zwei Dinge klarstellen? Erstens: Österreich hat große Herausforderungen zu bewältigen und braucht eine starke Koalition. Zweitens: Umso verstörender ist aus Neos-Sicht der Umgang der ÖVP mit dem Fall Wöginger. Das gehört in der Koalition besprochen. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass man hier nicht tut, als wär‘ nix.

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