ANALYSE. Der ÖVP-Klubobmann würde auch bei einer Verurteilung wegen Postenschacher bleiben wollen. Damit wird ebensolcher erst recht verharmlost.
Politisch ist die Sache klar: ÖVP-Klubobmann August Wöginger hat sich auf Wunsch eines Parteikollegen über den damaligen Generalsekretär des Finanzministeriums, Thomas Schmid, dafür eingesetzt, dass dieser Parteikollege, ein Bürgermeister, Leiter eines Finanzamtes in Oberösterreich werden konnte; und zwar auf Kosten einer besserqualifizierten Kandidatin, die deswegen sogar Schadenersatz zugesprochen bekam.
So etwas würde nicht einmal in der ÖVP durchgehen. Im Verhaltenskodex der Partei heißt es zwar, dass sich Funktionäre für die Lösung von Bürgeranliegen (wie jenem des Parteikollegen) stark machen dürfen, es folgt jedoch ein Aber: „Dabei ist darauf zu achten, dass es nicht zu unzulässiger Einflussnahme, inhaltlicher oder zeitlicher Bevorzugung insbesondere gegenüber Dritten kommt.“
In Wögingers Fall werden jedoch alle Augen zugedrückt. Die Vorsitzende des Rates, der über die Einhaltung des Kodex wacht, die ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, ignoriert dieses „Aber“ – und alles wirkt gut.
Die Sache wird jedoch neu aufgerollt, Wöginger muss sich rechtlich noch einmal verantworten, er steht ein zweites Mal vor Gericht deswegen. Beim Oberlandesgericht Linz ist die Diversion, mit der die erste Runde geendet hatte, bekanntlich nicht durchgegangen.
Und jetzt erfährt alles eine Steigerung. Die „Krone“ lässt einen Meinungsforscher sagen, dass die Aufhebung der Diversion eine „Blutgrätsche“ von Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) gewesen sei. Die Koalition stehe damit auf der Kippte.
Wie bitte? Sporrer ist selbst ausdrücklich nicht gegen die Diversion vorgegangen. Dafür ist sie durchaus auch kritisiert worden. Immerhin war die Diversion einst für viel kleinere Fälle eingeführt worden; und wurde damit signalisiert, dass Postenschacher nicht weiter schlimm sei.
Es war vielmehr das Oberlandesgericht Linz, dass widersprach; das keinen kleinen Fall sah, sondern argumentierte, dass politisch motivierter Postenschacher auch das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen „erheblich beeinträchtige“; ja, das von einem „hohen Maß an krimineller Energie“ und einem „erheblichen sozialen Störwert“ ausging.
Hätte Sporrer dreinfahren und erklären sollen, dass man das alles so sehen könne, man die Sache aber bitte vergessen möge?
Man kann tatsächlich feststellen, dass Wöginger, wie von der „Krone“ vermittelt, wesentlich ist für die Koalition. Dass er innerhalb der ÖVP einer der letzten ist, die das Zeug haben, um die Fraktion auf parlamentarischer Ebene zusammenzuhalten und wissen, wie man Macht ausübt; und dass er im Übrigen mit allen anderen Fraktionen kann (nicht nur mit SPÖ und Neos, sondern auch mit FPÖ und Grünen, mit denen er ja auch schon zusammengearbeitet hat).
Muss er deswegen aber keine politische Verantwortung übernehmen und zurücktreten; schon allein, weil man eine Notwendigkeit dafür eben aus dem ÖVP-Verhaltenskodex herauslesen könnte? Ist das aufgrund seiner Bedeutung alles egal? Wo sind wir denn? Politisch hat er selbst schon bisher keine Notwendigkeit für einen Rücktritt gesehen und nun betont, dass er auch im Falle einer (rechtlichen) Verurteilung nicht gehen würde.
Das ist eine neue Dimension. Postenschacher wird dadurch erst recht verharmlost. Es wird zu etwas erklärt, weswegen man keine Konsequenzen ziehen muss. Zu harmlos! Mögen Gerichte das beurteilen, wie sie wollen. Wögingers Parteifreunde bis hinauf zu Kanzler Christian Stocker (ÖVP) scheinen das auch so zu sehen. Für Sozialdemokraten und Neos hingegen wird es schwierig, das im Falle einer Verurteilung mitzutragen. Sie können nur hoffen, dass es zu keiner kommt. Für Wöginger gilt die Unschuldsvermutung.