Wo ist die SPÖ?

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ANALYSE. Niemand leidet mehr unter diesem themenbefreiten Wahlkampf als die Sozialdemokratie. Sie geht vollkommen unter. Und das ist nicht nur höhere Gewalt, sondern auch eigenes Versagen.

Zumindest in einer Hinsicht läuft der Nationalratswahlkampf nicht schlecht für die Sozialdemokratie: Seit Christian Deutsch die Kampagnenführung übernommen hat, gibt’s kaum noch Pleiten, Pech und Pannen. Das war’s dann aber auch schon. Und das leitet über zum anderen Problem der Partei: Sie ist nicht existent – und damit wird sie auch kaum einen Wähler dazugewinnen, ja, die vielen Grünen, die 2017 zu ihr übergelaufen sind, halten können.

Was fehlt, ist ein Thema. Personell ist wenig möglich: Pamela Rendi-Wagner kann kaum als Kanzlerkandidatin auftreten; dazu sind ihre Umfragewerte zu schlecht. Umso wichtiger wäre eben ein inhaltliches Angebot, das pfeift und zumindest ein paar Wähler begeistert; oder halt wenigstens überzeugt. Ein solches wird von sozialdemokratischer Seite aber nicht geliefert. „Wohnen“ und „Pflege“ sollen Schwerpunkte sein. Geschichten dazu, die etwas auslösen und für Debatten, Schlagzeilen und weitere Debatten sorgen würden, fehlen jedoch.

Was auch, aber nicht nur ein SPÖ-Versagen ist. Die Ausgangslage ist schwierig: Wenn’s um soziale Fragen geht, geben sich ÖVP und FPÖ immer wieder linkspopulistisch. Pensionsreformen sind tabu für sie, lieber erhöhen sie Mindestpensionen. Kälte kann man ihnen unter diesen Umständen schwer vorwerfen. Im Übrigen geht’s den Österreichern gerade ziemlich gut; laut Spectra-Wirtschafsbarometer sind sie schon lange nicht mehr so optimistisch gewesen. Die Flüchtlingskrise tritt mehr und mehr in den Hintergrund. Wenn es ein Thema gibt, das neu auf der Agenda steht, dann ist es der Klimaschutz. Doch dieser zählt nicht gerade zu den typisch-sozialdemokratischen Anliegen.

Auch Kurz tut sich schwer. Ihm bleibt jedoch die Kanzlerfrage.

Zu schaffen macht das auch der ÖVP von Sebastian Kurz. Botschaften wie „Schließung der Balkanroute“ und „Stopp der Zuwanderung ins Sozialsystem“ reichen nicht mehr. Selbst Kurz muss sich daher irgendetwas einfallen lassen zum Klimaschutz. Er hat daneben aber einen entscheidenden Vorteil: Wenn es letzten Endes eher nur um die Kanzlerfrage geht, könnte die Nationalratswahl am 29. September zu einer Art Abstimmung werden. Fragestellung: Soll Kurz wieder ans Ruder gelangen (dann wählen Sie die ÖVP) oder nicht (dann wählen sie eine andere Partei)? Die Folge: Selbst eine Minderheit für Kurz wird immer eine relative ÖVP-Mehrheit von zum Beispiel 35 Prozent (aktueller „Standard“-Umfragewert) ergeben.

Die SPÖ droht unter diesen Umständen auf ihre Kerngruppen reduziert zu werden: Gewerkschaftsfunktionäre beispielsweise, die gar nicht anders können als rot zu wählen. Wobei sich zwei Dinge rächen für sie: Zum einen, dass sie keine inhaltliche Erneuerung zusammengebracht hat, wie sie Kern mit dem „Plan A“ zumindest versucht hat. Und zum anderen, dass es Rendi-Wagner in der Zeit seit ihrer Vorsitzübernahme im vergangenen November auch persönlich nicht gelungen ist, einen Gegenentwurf zum Politikstil von Sebastian Kurz zu entwickeln und öffentlich sichtbar über die Rampe zu bringen.

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