Wo ist die Perspektive?

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ANALYSE. Die FPÖ von Herbert Kickl bleibt weit vorne, während die ÖVP von Christian Stocker und die SPÖ von Andreas Babler nicht vom Fleck kommen. Das sollte man nicht relativieren.

Die Erleichterung darüber, dass Österreich ein Kanzler Kickl vorerst erspart geblieben ist und sich Christian Stocker (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) für eine Koalition zusammengerauft haben, war groß. Selbst die „Krone“ sprach nicht mehr abfällig von einem (türkis-rot-pinken) „Zuckerl“. Damit ging aber auch etwas Verhängnisvolles einher: Es war einfach nur gut, dass es nicht Kickl gab. Die Koalition wurde weniger daran gemessen, was sie plant. Sie konnte es sich leisten, mit dem nichtssagenden Titel „Das Richtige tun“ daherzukommen.

Und natürlich ist es zum Beispiel gut, dass es weniger nach Inseratenkorruption riecht als in der Vergangenheit. Oder dass Christian Stocker solide wirkt. Keine Frage.

Das Problem ist jedoch, dass es viel mehr brauchen würde: Es verfestigt sich der Eindruck, dass gut ein Drittel der Wähler verloren ist für ÖVP und SPÖ, geschweige denn Neos und Grüne. Dass dieses Drittel der FPÖ und Herbst Kickl schier sicher ist: Laut einer „Standard“-Umfrage würde sie bei der einer Nationalratswahl auf 35 Prozent kommen und er bei einer Kanzlerdirektwahl auf 30 Prozent. Stocker müsste sich bei einer solchen mit 13, Babler mit zehn Prozent begnügen, ihre Parteien bei Nationalratswahlen mit 22 bzw. 20 Prozent.

Bloß eine Momentaufnahme? Ja, aber eine alarmierende! Stocker und Babler mögen es schwer haben: Aus türkis-blauer und türkis-grüner Zeit sind ihnen verhängnisvolle Dinge geblieben. Nicht nur die bekannte Budgetlage. Es geht auch um die Kurz’sche Politikbeschädigung: Eine solche war die Vermittlung des Eindrucks, dass in der Politik nur gestritten und über die Leute hinwegregiert werde; dass es also einen brauche, der vorgibt, es ganz anders anzulegen. Dadurch wurde eine Stimmung geschaffen, von der Kickl profitiert, indem er gezielt so tut, als würde nur er allein „dem“ Volk dienen. Das sichert ihm den erwähnten Stimmenanteil.

Die Schwäche von ÖVP und SPÖ ist gerade auch vor diesem Hintergrund, sich gemeinsam mit den Neos nicht auf ein Programm für ein besseres Österreich verständig zu haben, das dazu angetan ist, Wähler von der FPÖ zurückzuholen, weil sie sehen, dass es auch anders geht als Bestehendes einfach nur zu zerschlagen.

Die Schwäche von ÖVP und SPÖ ist, dass sie sich gegenseitig eher nur ein paar Punkte gönnen (die ÖVP darf zum Beispiel in der Migrationspolitik weitermachen wie bisher, die SPÖ Mieten bremsen); und dass sie im Übrigen schauen, dass (zum Beispiel bei den Pensionen) nur das Allernötigste passiert, um die Neos im Boot zu halten.

Da ist keine begeisternde oder auch nur beeindruckende Rede von Kanzler Stocker oder Vize Babler über ein Österreich, das diese Regierung anstrebt. Insofern sind die Umfragewerte nicht überraschend.

Es gibt keine Perspektive. Außer einer schlechten: Laut Fiskalrat und IHS wird bei der Budgetsanierung nachzulegen sein. Das ist unpopulär. In der SPÖ finden Teile bereits, dass die Freiheitlichen nicht zu stoppen sind und man sich mit ihnen – nach türkisem Vorbild – halt irgendwie zusammenraufen müsse, wenn man Macht halten möchte.

Daniel Fellner, der Peter Kaiser an der Parteispitze in Kärnten nachfolgen dürfte, redet sich gar schon Kickl schön. Zitat aus einem „Presse“-Interview: „Aber bei Herbert Kickl in seiner Funktion als Innenminister hat man gesehen, dass er weiß, wo die Grenzen für einen Mitgliedstaat der Europäischen Union sind.“

Der Mann scheint froh zu sein, dass sich Kickl seinerzeit mit berittener Polizei sowie Ausreisezentren anstelle von Erstaufnahmezentren „begnügt“ hat. Oder mit der Razzia beim Bundesamt für Verfassungsschutz.

Der Mann scheint sich von dieser Regierung vor allem aber nichts zu erwarten und schon von einem Kanzler Kickl auszugehen, der im vermeintlich besten Fall mit der SPÖ und nicht mit der ÖVP als Juniorpartnerin regiert.

Es wäre riskant, wenn Stocker und Babler jetzt in Ruhe weitermachen würden, wie bisher und man das einfach nur gut finden würde, weil dem Land so vorerst Schlimmeres erspart bleibt: Die beiden haben gerade einmal zwei Jahre Zeit, die Stimmung zu drehen. Im Herbst 2027 geht es, wie hier ausgeführt, los mit einer Phase voller Wahlen. Unter anderem in Oberösterreich und in Kärnten, wo ÖVP bzw. SPÖ, Stand heute, nicht davon ausgehen können, fix vorne zu bleiben.

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