ANALYSE. Parteien rechts der Mitte sind bei den Landtagswahlen in Deutschland gestärkt worden. Parteien links der Mitte haben in Summe die größere Krise. Auch in Österreich. Ein Erklärungsversuch.
Deutsche Christdemokraten können nach den jüngsten Landtagswahlen hochzufrieden sein: Bayern gehalten und in Hessen triumphiert. Natürlich: Rechts von der CSU ist das passiert, was es laut Franz Josef Strauß sowieso nicht geben dürfte. „Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben“, hatte dieser in den 1980er Jahren gesagt, als die „Republikaner“ aufgekommen waren. Rechts von der CSU haben „Freie Wähler“ und „AfD“ am vergangenen Sonntag auf zusammen 30 Prozent zugelegt. Das muss man sich einmal vorstellen.
Ursprünglich ist ihr Aufstieg vor allem auf Kosten der Christlichsozialen Union gegangen. Ihr ist die bürgerliche Mitte abhandengekommen; das stand auch im Zeichen einer Fragmentierung der Gesellschaft, auf die es keine gemäßigte Antwort zu geben scheint, mit der man noch groß gewinnen kann.
Wichtiger ist hier, was jetzt in Deutschland passiert, weil das auch zu Entwicklungen in Österreich überleitet: Unterm Strich haben neben der FDP vor allem Grüne und Sozialdemokraten verloren. Das muss man im Zusammenhang damit sehen, dass die Regierung, die sie in Berlin bilden, extrem schlecht ankommt. Es geht aber um mehr.
Es geht schon auch um Schwierigkeiten, mit denen Parteien links der Mitte in Zeiten wie diesen zu kämpfen haben. Und die es vor allem der Sozialdemokratie schwer machen, sich zu behaupten.
Erstens: Politisch folgenreicher als finanzielle Probleme einer Masse sind verbreitete Sorgen und Ängste. Rechtspopulisten und Rechtsextreme haben „Antworten“ darauf, die eher ankommen. Zum einen machen sie Schuldige aus, zum anderen stehen sie für einen Rückzug in eine vermeintlich gute Vergangenheit. Gerne auch im Rahmen einer „Festung Österreich“, die gegen vielschichtige Gefährdungen steht und einen geschützten Raum bieten soll.
Zweitens: Gerade jetzt, da sehr vieles durcheinander kommt, wächst frei nach George Lakoff eine Sehnsucht nach einem „strengen Vater“ (= Rechte), der durchgreift und für geordnete Verhältnisse sorgt; geht umgekehrt die Bereitschaft zurück, sich auf „fürsorgliche Eltern“ (= Linke) einzulassen, die bereit sind, über alles zu reden.
Drittens und um das Ganze auf Österreich zu übertragen: Die türkise ÖVP versucht seit ein paar Jahren, diesen Entwicklungen gerecht zu werden, indem sie klassische Inhalte extrem Rechter kopiert. In der Migrationsfrage wird dies am deutlichsten. Oder im Umgang mit Arbeitslosen und Sozialhilfebeziehern. Unter Sebastian Kurz ist das aufgegangen. Unter Karl Nehammer tut es das gar nicht, ist das „Original“, die FPÖ mit Herbert Kickl, umso erfolgreicher, machen schwache Türkise Blaue nur noch stärker. Zusammen würden die beiden Parteien bei einer Wahl am kommenden Sonntag auf eine absolute Mehrheit kommen.
Vor allem, weil die Sozialdemokratie nicht abhebt. Mit Andreas Babler hat sie zwar Anlauf genommen. Fraglich ist jedoch, was daraus werden wird. Der Gegenwind ist beträchtlich. Und damit ist bei weitem nicht nur der gemeint, der von der Wiener Kleingaren-Affäre ausgeht.
These: Sofern man das noch erfassen kann, steht der sozialdemokratische Zugang für eine Gesellschaft, die gerecht in dem Sinne ist, dass auf die gemeinsame Befriedigung von Bedürfnissen zumindest so viel Wert gelegt wird wie auf Leistung Einzelner. Womit man noch punkten könnte. Schwieriger wird es aber in Bezug auf Weltoffenheit (die eine zunehmende Masse lieber nicht mehr will) und mehr noch im Hinblick darauf, dass in der Gesellschaft idealerweise kein Mitglied (mehr) größere Sorgen haben muss: Daran glauben so wenige Menschen wie schon lange nicht mehr.