Wlazny wie Kickl

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ANALYSE. Message Control 2.0: Sich unabhängigen Medien und damit auch einer breiteren Öffentlichkeit verweigern – um von Unwissenden gewählt zu werden.

Es ist noch immer so, dass klassische Medien die meisten Leute erreichen. Schaut man sich zum Beispiel an, wann bestimmte Politikerinnen und Politiker in den vergangenen Wochen besonders stark „gegoogelt“ worden sind, dann fällt das vor allem mit zwei Ereignissen zusammen: Wenn sie in der Radiosendung „Frühstück bei mir“ (ORF/Ö3) oder im Sommergespräch (ORF2) zu Gast waren. Damit geht also noch immer am ehesten eine Art Arena einher: Vergleichsweise große Teile der Öffentlichkeit sind dabei.

Demokratiepolitisch ist das erfreulich. Es gibt jedoch ein Problem: Politiker, die Wesen und Wert das Ganzen nicht respektieren wollen. Dominik Wlazny von der „Bierpartei“ schlug laut Armin Wolf zum Beispiel eine Einladung in die ZIB2 vom 13. August aus. Aus zahlreichen Zeitungen heißt es wiederum, dass alle Bemühungen, ein Interview mit FPÖ-Chef Herbert Kickl zu bekommen, schon länger vergeblich seien. Er gebe keines. Ganz offensichtlich beschränkt er sich aufs absolut Notwendige.

Auf das Sommergespräch etwa. Im vergangenen Jahr erklärte er dabei jedoch gezielt, dass der Raum, in dem es damals stattfand, den „Charme eines Stasi-Verhörzimmers“ habe. Es war ihm zuwider und seinen Anhängern signalisierte er so, dass jede Frage, die er gestellt bekommt, eine Zumutung ist.

Wenn sich Politiker auf keine offene Auseinandersetzung mit Medien mehr einlassen, geht jedoch verloren, was es gerade vor einem Urnengang notwendigerweise braucht: Wählerinnen und Wähler erfahren ein Stück weniger, wie zum Beispiel eben ein Herr Wlazny oder ein Herr Kickl tickt, woran sie bei diesen beiden sind.

Genau das bezwecken sie: Irgendwann im Frühjahr scheint der Mann von der Bierpartei beschlossen zu haben, bei der Nationalratswahl anzutreten, aber so wenig wie möglich Relevantes preiszugeben. Inhaltliche Vorstellungen bleiben vage und sollen erst nach und nach als Menüpunkte auf einer Website dargelegt werden. Wlazny weiß: Sein bisheriger Erfolg ist darauf zurückzuführen, dass er in den Augen vieler ein sympathischer, authentischer Kerl ist, der es gut meint; dass er kein Politiker sei und dass das gerade in Zeiten wie diesen schon genug für eine Stimme sei.

Das will er nicht gefährden. Mit jeder Festlegung würde er riskieren, an Zuspruch zu verlieren. Daher hält er sich zurück. Es ist jedoch niemandem gegenüber fair: Weder seinen Gegnern gegenüber noch seinen Anhängern gegenüber. Wählen sie ihn und schafft er es ins Hohe Haus, wird er liefern müssen, was er jetzt verweigert: Politik. Erst dann wissen sie, woran sie sind.

Naturgemäß viel schwerwiegender ist das Ganze bei Kickl. Er will „Volkskanzler“ werden. Es reicht, wenn er Kanzler wird: Diese Message Control 2.0 ist ein Vorgeschmack. Sebastian Kurz hat im Rahmen der ersten Version versucht, in Verbindung mit Inseratenvergaben bestimmte Themen und Darstellungen dazu in der medialen Berichterstattung durchzusetzen. Kickl bedient sich von vornherein „seiner“ Medien, um zu kommunizieren, was ihm wichtig ist. Es sind dies wohlwollende Blätter wie „Heute“, vor allem aber eigene Kanäle wie FPÖ TV. Hier kann er seine Anhängerschaft ansprechen, wie es ihm gefällt.

Diese Anhängerschaft beschränkt sich aber auf 15, 20 Prozent der Wählerschaft. Dazu kommen zehn, 15 Prozent, die so, wie das hier läuft, nicht abgeschreckt werden, sondern potenzielle FPÖ-Wähler:innen sind. Das ergibt eine relative Mehrheit. Also Platz eins bei der Wahl. Würde sich Kickl etwa regelmäßig Zeitungsinterviews stellen, wären die zehn, 15 Prozent womöglich nicht mehr auf seiner Seite. Er könnte jedenfalls ungleich weniger blenden.

Außerdem hat auch die in jedem Fall verbleibende Masse der Wählerschaft einen Anspruch darauf, zu erfahren, woran man bei diesem Möchtegern-Volkskanzler wirklich ist. Das ist ja nicht so klar, wie man vielleicht meinen könnte: Es reicht zwar, was er in Neujahrs- und Aschermittwoch-Reden von sich gibt. Darüber hinaus wäre es jedoch wichtig, dass er sich darauf genauso kritisch ansprechen lässt wie auf andere Fragen, die sich nach Einschätzung unabhängiger Journalist:innen stellen. Gerade auch wenn es ihm missfällt.

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