ANALYSE. Bei allen Schwächen: Rot-Pink steht für einen Gegenentwurf zu Schwarz-Blau bzw. Blau-Schwarz in fünf Bundesländern.
Als „Aufschwungskoalition“ bezeichnen SPÖ und Neos das Bündnis, das sie (auf kommunaler Ebene) in Wien eingegangen sind. Das ist PR-Sprech. Klopft man den Inhalt ab, fällt im Übrigen viel weg. Da ist viel Unverbindliches, gibt es wenig Konkretes zu Budgetärem im Allgemeinen und Inseraten etwa im Besonderen. Leistet man sich sogar das irritierende Signal, die Stadtregierung zu vergrößern. Genauer: Es bleibt bei sechs sozialdemokratischen und einem pinken amtsführenden Regierungsmitglied. Damit das möglich ist, muss (Stichwort Proporz bzw, Verhältnismäßigkeit) aber ausgerechnet die Zahl der gut bezahlten nicht amtsführenden Mitglieder von fünf auf sechs erhöht werden (mehr dazu hier unter dem Titel „Zwei Millionen für weiße Elefanten“).
Das alles ist Teil des Ganzen. Zu diesem gehört auch etwas ganz anderes. Etwas, was Rot-Grün zu einem Gegententwurf zu Schwarz-Blau bzw. Blau-Schwarz in bereits fünf Bundesländern macht. Es sind Selbstverständlichkeiten von früher, die das in Anbetracht dieser und mehr noch des Herbert-Kickl-Kurses genau nicht mehr sind.
Zitate aus dem Regierungsprogramm, das Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Bettina Emmerling (Neos) vorgelegt haben: „Wir treten auch in Zukunft für ein starkes Europa ein und werden weiterhin europäische Themen im Wiener Gemeinderat, Landtag und in den Bezirken sichtbar machen, um die Vernetzung mit der Europäischen Union zu fördern.“ „Wien ist als Menschenrechtsstadt und europäische Metropole den Grundwerten Europas (EMRK und Charta der Grundrechte) wie Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören, verpflichtet.“
„Wissenschaft als Fundament für Wiens Zukunft.“ „Die Stadt investiert dabei auch gezielt in jene Fächer der Grundlagenforschung, die zur kritischen Reflexion gesellschaftlicher Entwicklungen beitragen (…) – mit dem Ziel, eine offene, resiliente und zukunftsorientierte Gesellschaft zu gestalten.“
Auch Fragen der Integration werden behandelt. Aber nicht in einem Sinne, wonach es zum Beispiel nur Deutsch geben dürfe, wie es in St. Pölten vermittelt wird. Sondern in dem Sinne, das „ein vielfältiges Wien die gemeinsame Sprache Deutsch“ habe. Das ist ein Unterschied: Vielfältiges und Gemeinsames, das im Übrigen auch über die Sprache hinaus in einem „Integrationskodex“ festgehalten werden soll.
Auffallend ist zudem ein bildungspolitischer Akzent: Neben dem Ausbau der Elementarpädagogik und der Ganztagsschulen enthält das Regierungsprogramm ein Bekenntnis zur Gemeinsamen Schule. Und zwar eines, wie man es auf Länderebene in den vergangenen Jahren eher in schwarz-grünen Programmen erlebt hat, bis sich die ÖVP meist der FPÖ zuwendete und die Grünen in Opposition verabschieden mussten.
Zitat: „Kinder sind mit zehn Jahren noch mitten in ihrer Entwicklung – voller Neugier, unterschiedlicher Talente und ganz eigener Lerngeschichten. Doch genau in diesem jungen Alter entscheidet unser Schulsystem schon über ihren weiteren Bildungsweg. Die wissenschaftliche Evidenz zeigt klar: Diese frühe Trennung kostet Chancen. Sie wird der Vielfalt kindlicher Entwicklung nicht gerecht – und zwingt Familien zu Entscheidungen, die oft mehr Druck als Orientierung bringen. Eine so weitreichende Weichenstellung im Leben eines Kindes so früh zu treffen, ist nicht nur unklug – es ist auch ungerecht.“
Daher sei man „aktiver Partner“ bei den Plänen der Bundesregierung in Bezug auf eine Modellregion „Gemeinsame Schule“ der 6–14-Jährigen bzw. eine 6-jährige Volksschule und treffe die notwendigen Vorkehrungen zur Pilotierung. Wird spannend: In Teilen Wiens bzw. in Währing etwa ist die AHS-Unterstufe quasi Regelschule, gibt es kaum Mittelschulen. Hier ist der Weg zur Gemeinsamen Schule daher ein so weiter wie sonst kaum wo in Österreich. Andererseits: Umso bemerkenswerter, dass man sich trotzdem daran machen will.