ANALYSE. Für den Kanzlerkandidaten wird’s ernst: Dass er sehr viel will, ist bekannt. Wie er das alles machen würde, lässt er offen. Das mag strategisch klug sein, ist jedoch unzureichend.
Man kann einen Politiker so oder so bewerten: Wie gut verkauft er sich? Oder: Was bringt sein Handeln dem Staatsganzen, also Bürgern, Unternehmen etc.? Österreichische Politiker werden eher nur im ersten Sinne gemessen. Ein paar Ansagen reichen da schon, um gefeiert zu werden. Christian Kern (SPÖ) hat diese Erfahrung gemacht. Irgendwann einmal war die Partylaune halt vorbei. Da hätte er liefern müssen. Bei Sebastian Kurz (ÖVP) ist das so ähnlich. Bei ihm ist die Party aber noch voll im Gange. Wie lange sie dauern wird, ist offen. Vielleicht geht sie in einen Dauerrausch über, unter Umständen folgt aber auch Ernüchterung. Man weiß es nicht.
Der 31-Jährige hat zahlreiche „Skills“, die außerordentlich sind: Er kann begeistern wie kaum ein anderer. Er kann ebenso argumentieren. Er hat einen genialen Riecher für die Stimmungslage im Land und weiß im Übrigen auch, wie man am wirkungsvollsten darauf eingeht. Er hat eine gute Hand in personellen Fragen. Er durchschaut Machstrukturen und hat es zumindest in der ÖVP geschafft, sie durch die Umwandlung in eine Bewegung auf Bundesebene für den Wahlkampf zu überwinden: All das macht ihn persönlich und seine Türkisen sehr erfolgreich.
Wann man ein Auto kauft, lässt man sich auch nicht nur einen supertollen Schlitten beschreiben – und schon überzeugen.
Es gibt jedoch auch eine andere Seite: Vielversprechende Dinge ankündigen ist das eine. Konkret werden das andere. Und was das betrifft, so hat Kurz sehr, sehr viele Lücken. Beispiel 1: Die Steuer- und Abgabenquote soll gesenkt werden. Das ist gut. Die Kehrseite, die Gegenfinanzierung, bleibt jedoch nebulos. Beispiel 2: Die Pensionen sollen gesichert bleiben. Auch das ist gut. Ambitionierte Reformen, die dazu nötig wären, werden jedoch entweder ausgeschlossen (wie eine Anhebung des gesetzlichen Antrittsalters) oder nicht ausgeführt. Beispiel 3: Es soll endlich eine Staatsreform geben. Ebenfalls gut. Die entscheidende Frage, wie das nach so vielen gescheiterten Anläufen erfolgsversprechend geschehen könnte, wird jedoch nicht einmal angerissen.
Dass das kein größeres Thema ist, ist bemerkenswert: Wann man ein Auto kauft, lässt man sich vom Verkäufer auch nicht nur einen supertollen Schlitten beschreiben – und schon überzeugen. Behaupten kann der gute Mann schließlich vieles. Man will also mehr. Damit man weiß, was man für sein Geld bekommt.
…. wobei möglicherweise auch Politik über die Bande im Spiel sein wird, wie er sie auch schon bisher betrieben hat.
Zur Umsetzung seiner Ankündigungen kommt bei Kurz noch ein Punkt dazu, den man nicht unter den Tisch fallen lassen kann: Er will eigenen Worten zufolge eine klassische Koalition bilden oder etwas völlig Neues probieren. Eine Art Minderheitsregierung, die sich Mehrheiten von Projekt zu Projekt sucht. Wobei möglicherweise auch Politik über die Bande im Spiel sein wird, wie er sie auch schon bisher betrieben hat: Hauptaufgabe ist demnach eine wirkungsvolle Medienarbeit. Sie soll Stimmung erzeugen. Sodass der politische Mitbewerber irgendwann einmal einknicken und zustimmen muss (Christian Kern war ein billiges Opfer dafür; Anm.). Und wenn das nicht aufgeht, dann kann man immer noch das Volk befragen, womit die Mehrheitsverhältnisse im Parlament fast schon gar keine Rolle mehr spielt.
Doch was das betrifft, muss man vorsichtig sein: Man kann es sich auf Basis von Ankündigungen von Kurz, seiner bisherigen Methode, Politik zu machen, und dem Demokratiereformkonzept, das er vor ein paar Jahren erstellt hat und das nun teilweise in sein Wahlprogramm eingeflossen ist, zusammenreimen. Wissen tut man es nicht. Weil er sich diesbezüglich noch nicht ausreichend geäußert hat.
>> dieSubstanz.at zur österreichischen Politik. Täglich >> Zum Newsletter