ANALYSE. Kickl darf sich freuen: ÖVP-Landeshauptleute drücken den Preis für eine Zusammenarbeit noch weiter als er ohnehin schon ist.
Objektiv gesehen könnte die Ausgangslage bei den Regierungsverhandlungen für die FPÖ von Herbert Kickl nicht besser und für die ÖVP von Christian Stocker nicht schlechter sein. Die Volkspartei ist beim Versuch, einen Regierungsbildungsauftrag zu erfüllen, gerade gescheitert. Im Übrigen will sie nicht in Opposition, keine Neuwahlen und hat keine andere Partei mehr, mit der sie noch verhandeln könnte. Zugespitzt formuliert muss sie eine Zusammenarbeit mit der FPÖ daher um schier jeden Preis eingehen.
ÖVP-Landeshauptleuten scheint diese Ausgangslage jedoch nicht schlecht genug zu sein. Sie müssen auch noch aussprechen, was ist. Es brauche rasch Klarheit, denn die Geduld der Menschen sei bereits überstrapaziert, sagt Thomas Stelzer (Oberösterreich). Wohl wissend, wessen Schuld das ist: Seine Partei hat in den vergangenen Monaten leere Kilometer gemacht. Ihr Obmann, Karl Nehammer, der die Dreiparteien-Koalitionsverhandlungen geleitet hat, machte noch in den Weihnachtsfeiertagen Hoffnung auf einen baldigen (erfolgreichen) Abschluss. Nie hat er gesagt, dass es ihm zu langsam gehe. Ausgang bekannt. Es waren die Neos, die zur allgemeinen Überraschung die Bremse zogen. Motto: Schluss, aus, es bringt nichts.
Markus Wallner (Vorarlberg) lässt wissen, dass Neuwahlen auf alle Fälle verhindert werden müssten und es eine rasche Regierungsbildung brauche. „Kann die ÖVP gerne haben“, glaubt man Kickl bei einer solchen Aussage denken zu hören: „Ihr müsst einfach nur ja sagen zu dem, was ich verlange.“
Natürlich: Die Geduld sehr vieler Menschen ist überstrapaziert, es sollte jetzt rasch gehen. Naheliegender wäre es aus einer schwachen Verhandlungsposition heraus aber eher, derlei nicht so offen auszusprechen. Und das Gegenüber, also Kickl, zum Beispiel in Bezug auf Neuwahlen wenigstens ein Bisschen im Ungewissen zu lassen. Beziehungsweise nicht gar so klar mitzuteilen, wie sehr man sich davor fürchtet.
Abgesehen davon könnte die ÖVP mitteilen, was ihr wichtig ist. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat’s zwar versucht. Aber wie: Man müsse bedenken, „dass wir uns in einer äußerst herausfordernden Zeit befinden, wo es wichtig ist, ganz konkrete Maßnahmen zu setzen für den wirtschaftlichen Aufschwung, als auch im Kampf gegen den Islam“, erklärte sie in einem ORF-Interview. Später betonte sie, politischen Islam gemeint zu haben. Nicht den Islam insgesamt. Aber das ändert wenig: Derlei entspricht Kickl.
Es lässt tief blicken, dass die mächtigste Frau der Volkspartei zum Beispiel nicht erklärte, dass es auf ein Bekenntnis zur europäischen Integration ankomme, weil man in äußerst herausfordernden Zeiten wie diesen nur gemeinsam stark sein könne. Stichwort Wettbewerbsfähigkeit, Stichwort Sicherheit etc. Es wäre wenigstens etwas, bei dem die ÖVP Eigenständigkeit und einen Rest an Selbstbewusstsein gegenüber Kickl demonstrieren könnte.