ANALYSE. Der SPÖ-Vorsitzende tritt sein Amt jetzt gestärkt an. Er kann die Partei noch eher neu aufstellen. Für das, was er als „Establishment“ bezeichnet, wird es eng.
Vielleicht war die lustlose Rede, die der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil auf dem außerordentlichen Bundesparteitag der SPÖ in Linz hielt, eine der letzten Regungen dessen, was Andreas Babler schon einmal als „Establishment“ bezeichnet. Doskozil schien sich seiner Sache so sicher zu sein, dass er sich nicht mehr groß anstrengte. Im Saal machten tatsächlich Prognosen die Runde, er werde sich mit 60 zu 40 Prozent klar gegen Babler durchsetzen. Doch dann setzte Babler zu einem rhetorischen Feuerwerk an, einem leidenschaftlichen Plädoyer für eine kompromisslos linke SPÖ. Reaktionen der Funktionäre zeigten: Das kommt an. Prognosen wurden auf 55 zu 45 Prozent revidiert.
„Establishment“ ist ein problematischer Begriff. Im Übrigen müsste man, wenn, dann von „Establishments“ sprechen: Ein Teil war für Doskozil, ein anderer für Babler. Mit diesem oder ähnlichen Begriffen arbeitet Babler jedoch gezielt. Nach Veröffentlichung des zu seinen Gunsten korrigierten Abstimmungsergebnisses meinte er etwa, er wolle sich „für das Bild, das Teile unseres Apparats abgegeben haben, entschuldigen“.
Der bisherige, parteiinterne Erfolg von Andreas Babler beruht darauf, dass es ihm gelungen ist, eine Basisbewegung zu schaffen. Wie er es damit jemals ins Bundeskanzleramt bringen möchte, weil er auf dem Weg dorthin viele Kompromisse eingehen und Enttäuschungen auslösen muss, falls er jemals dazu kommt, ist eine andere Geschichte. Hier geht es darum, dass er eine Sehnsucht nach einer selbstbewussten Sozialdemokratie geweckt hat, die sich nicht permanent arrangiert, um zum Beispiel vielleicht doch wieder einmal mit der ÖVP koalieren zu können; oder um Macht unter anderem nur dafür einzusetzen, Inserate willkürlich zu vergeben. Babler vermittelte offenbar überzeugend, dass es einzig und allein darum gehe, die Lebensverhältnisse von Arbeiterinnen und Arbeitern zu verbessern; und zwar gerne auch in harten Auseinandersetzungen mit dem Kapital, um es vereinfacht auszudrücken.
Von der Papierform her müsste sich zum Beispiel ein Mann wie der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig schwertun vor diesem Hintergrund, Babler zu unterstützen. Immerhin zählt er ja selbst zu diesem „Establishment“, ist einer, der Rot-Türkis nicht ausschließen möchte und so weiter und so fort. Ludwig ist zudem ein Pragmatiker: Als er vor wenigen Jahren sein Amt antrat, betonte er, dass sich Zugewanderte hinten anstellen müssten bei Wohnungsvergaben und vielem anderem mehr; „wie an der Supermarktkassa“. Das war seine Methode, der FPÖ Wind aus den Segeln zu nehmen. Bei Babler ist ein solcher Zugang schwer vorstellbar.
Für Ludwig war es aber wichtiger, ein Übel das aus seiner Sicht größer gewesen wäre, zu verhindern: Hans Peter Doskozil. Das hat ihn auf die Seite von Babler gebracht, nachdem Pamela Rendi-Wagner bei der Mitgliederbefragung aus dem Rennen war.
Unangenehm dürft es jetzt aber auch für ihn werden: Andreas Babler ist aufgrund der Art und Weise, wie er doch zum Vorsitzenden gekürt wurde, gestärkt. Er ist mit einem Schlag nicht nur formal der mächtigste Mann der SPÖ: Hier hat sich eine Partei so brutal selbst beschädigt, dass er als Neuer, der mit alledem nichts zu tun hat und der sich eben sogar distanziert hatte von den bisherigen Verantwortungsträgern, schier alle Möglichkeiten hat, durchzugreifen, wie es ihm gefällt.
Und Doskozil hat nebenbei eine solche Niederlage erfahren, dass in Zukunft womöglich kaum noch etwas von ihm zu hören sein wird außerhalb des Burgenlandes. Auch das würden einem SPÖ-Bundesparteivorsitzenden ungemein nützen.