ANALYSE. Die Partei hat nicht nur ein ernsthaftes Führungs- und Toleranzproblem. Es hapert an noch viel Grundsätzlicherem.
Besser eine schlechte als gar keine Nachrede? Wäre Grünen-Sprecherin Eva Glawischnig dieser Überzeugung, könnte sie zufrieden sein. Sie hat am vergangenen Wochenende mehr Interesse in Österreich ausgelöst, als Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern seit Jahresbeginn; er ist nicht einmal mit seiner „Plan A“-Rede an den Wert herangekommen, den „Google Trends“ für sie auswirft.
Auf dem Maximalwert von 100, der für die meisten Anfragen in dem Internetsuchdienst steht und zu dem sich die Werte aller anderen genannten Spitzenpolitiker in dem angegebenen Zeitraum in Relation befinden, kam Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) mit seinem Auftritt in der Pressestunde Mitte März. FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hatte einen ganzen Bundesparteitag gebraucht, um (mit 94 Punkten) am nächsten an ihn heranzukommen. Doch dann folgte nun eben schon Eva Glawischnig mit 93 Punkten.
Dabei hat sie sich nicht einmal zu Wort gemeldet. Auslöser wird wohl die Trennung ihrer Partei von den Jungen Grünen gewesen sein. Was sich zu einem echten Eigentor entwickelt: Irgendwie hatte man bisher halt doch angenommen, dass Eva Glawischnig und Co. eher tolerant seien. Und dass sie folglich auch verstünden, dass gerade ihre Partei von einem gewissen Querulantentum lebt. Und dass es diesbezüglich beim Nachwuchs eine außerordentlich große Toleranz braucht.
Jetzt wird jedoch offensichtlich, dass das ein Irrtum war. Dabei hätte man es ahnen können: Schon Glawischnigs Umgang mit Peter Pilz nach der Bundespräsidenten-Wahl im vergangenen Dezember oder dem ehemaligen EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber vor einigen Jahren sprach Bände: Widerspruch gibt’s nicht. Voggenhuber ist daher ausgeschieden und Pilz konnte sich vorerst nur dadurch retten, dass er sich mit seinem Vorpreschen gegen die Türkei sowie in Sachen Eurofighter-U-Ausschuss unverzichtbar machte. Grund: Er ist zuletzt der einzige Grüne gewesen, der in der Innenpolitik wenigstens ein bisschen mitgemischt hat.
Die Sache auf Glawischnig zu begrenzen, greift jedoch zu kurz. Die Probleme reichen weiter:
- Die Grünen haben ein kaum noch feststellbares Profil: Einst konnten sie es über den Umweltschutz bilden. Das ist jedoch nichts Exklusives mehr in einer Zeit, in der etwa Elektroautos zu einem Statussymbol geworden sind. In Wien gelten sie nach wie vor wenigstens als ernstzunehmende Radfahrer-Lobby, die polarisiert; so etwas kann z.B. Stammwähler begeistern. Ansonsten jedoch wird’s dünn.
- Sehr wahrscheinlich hat das damit zu tun, dass die Partei seit 2002 Regierungsfähigkeit demonstrieren möchte und in zahlreichen Bundesländern auch zeigen kann. Das zwingt zum Kompromiss. Doch damit kann man es auch übertreiben. So hat es die Partei in den westlichen Landesregierungen, in denen sie vertreten ist, bisher verabsäumt, in der einen oder anderen Frage, die ihr wichtig sein könnte, eine ordentliche Auseinandersetzung zu liefern.
- Die Themen, die wiederum den Österreichern am wichtigsten sind (Sicherheit, Job/Einkommen, Gesundheit, Bildung) werden von der Partei vernachlässigt. In zumindest einem davon die größte Kompetenz zugeschrieben zu bekommen, wäre jedoch überlebensnotwendig.
- Zumal die Oppositionsarbeit absurderweise zu einem guten Teil ohnehin von SPÖ und ÖVP selbst erledig wird. Die meiste Kritik auf den Kanzler kommt beispielsweise vom Koalitionspartner, wie das Marktforschungsinstitut „media affairs“ herausgefunden hat.
- Die Partei läuft – wie die NEOS – Gefahr, bei der nächsten Nationalratswahl aufgerieben zu werden. Mehr denn je zeichnet sich schließlich eine Kanzlerwahl ab: Christian Kern oder Sebastian Kurz oder Heinz-Christian Strache. Doch da als nicht unmittelbar involvierte Partei auch nur irgendeine Rolle zu spielen, ist zugegebenermaßen eine Hausforderung, die man erst einmal bewältigen muss.
>> dieSubstanz.at-Infoservice: Lassen Sie sich regelmäßig per Mail auf neue Inhalte hinweisen >> Zum Newsletter (Gratis)