ANALYSE. In der SPÖ-Anhängerschaft gibt es noch immer eine starke Präferenz für Rot-Türkis. Ihr wird die Vorsitzende am ehesten gerecht.
Das Ergebnis der Mitgliederbefragung über den Parteivorsitz wird erst am 22. Mai vorliegen. So soll unter anderem sichergestellt werden, dass alle bis zum 10. Mai zur Post gebrachten „Briefwählerstimmen“ erfasst werden. Bis dahin darf die Kandidatin (Pamela Rendi-Wagner), dürfen die Kandidaten (Hans Peter Doskozil und Andreas Babler) hoffen.
Ein deutlicher Unterschied zwischen den Dreien ist ihre Haltung zur „Koalitionsfrage“. Und zwar auch über eine (eher un-)mögliche Zusammenarbeit mit der FPÖ hinaus: Babler würde nicht einmal mit der ÖVP koalieren wollen; wie Doskozil, für den das eine Opposition ist, würde er eine Ampel mit Neos und Grünen bevorzugen. Rendi-Wagner dagegen stellt die Varianten Rot-Türkis und Rot-Pink-Grün als gleichwertig dar.
Damit pflegt sie ihr Image als gemäßigte Politikerin, die bisweilen dafür kritisiert wird, nicht leidenschaftlich für etwas Bestimmtes zu stehen; aus linker Sicht zum Beispiel für eine Absage an die ÖVP, die nach Jahrzehnten an der Macht in die Opposition verabschiedet gehöre, wie Babler zur Begeisterung nicht weniger Genossen betont. Rendi-Wagner riskiert diesbezüglich nichts und könnte damit sogar einer Mehrheit der SPÖ-Anhängerschaft entsprechen.
Dass sich eine Koalition gegen ÖVP und FPÖ ausgehen könnte bei einer Wahl in absehbarer Zeit, ist sehr fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass für die SPÖ Rot-Türkis (oder Türkis-Rot) der einzige Weg zurück in die Regierung bleibt – sofern die ÖVP dazu bereit ist.
Wie SPÖ-Mitglieder das Ganze sehen, lässt sich nicht sagen. Dazu liegen keine Daten vor. Sehr wohl aber in Bezug auf die Wählerschaft. Hier hat es zuletzt bei den Landtagswahlen eine starke Tendenz hin zu Rot-Schwarz bzw. Schwarz-Rot gegeben. Was aufgrund jeweiliger, besonderer Umstände, natürlich relativ ist. In Niederösterreich war das für Sozialdemokratien praktisch alternativlos, hielt die ÖVP bis zum Urnengang doch einen Stimmenanteil fast 50 Prozent.
Aufschlussreicher erscheinen trotz der Zeit, die seither vergangen ist, Befragungen, die das Sozialforschungsinstitut SORA bei Nationalratswahlen durchgeführt hat. 2017, nachdem die SPÖ von Sebastian Kurz (ÖVP) aus der Regierung geworfen und mit zum Teil schweren Vorwürfen konfrontiert worden war (Stillstand, Silberstein-Methoden etc.) tendierten ihre Wähler noch immer sehr stark zu einer „Großen Koalition“.
Und selbst 2019, als Kurz weiter klar auf Distanz zur SPÖ war, sprach sich ein Drittel ihrer Wähler dafür aus, dass neben ihr auch die ÖVP der nächsten Regierung angehören sollte. Nur die Grünen hätten sie mit rund 60 Prozent noch lieber dort gesehen.
Ganz offensichtlich tickt die sozialdemokratische Seele nach wie vor ein Stück „großkoalitionär“, vielleicht auch im Sinne der Sozialpartnerschaft, die prägend für die Zweite Republik war. Umgekehrt ist das freilich kaum der Fall: 2019 sprachen sich nur 16 Prozent der Wähler einer nach rechts gerückten ÖVP dafür aus, dass neben dieser auch die SPÖ in der Regierung vertreten sein sollte. Damit wäre sie nicht zweite und nicht dritte, sondern letzte Wahl gewesen für sie – nach Neos (43), Freiheitlichen (34) und Grünen (20 Prozent). Was wohl auch etwas zur Misere der Sozialdemokratie aussagt. In der ÖVP, mit der sie am ehesten koalieren könnte, mögen das nur wenige mit ihr tun.