ANALYSE. Vor zwei Jahren hat der heutige Vizekanzler die SPÖ übernommen. Auf dem Weg dorthin standen Leidenschaft und das Ziel, sie auf 40 Prozent zu führen.
Im März hat Andreas Babler wieder einmal alle überrascht: Gegen die Wiener Landespartei von Michael Ludwig setzte er Markus Marterbauer als Finanzminister durch. Das war beachtlich und sorgte schon für Spekulationen, dass er es mit Hilfe des linken Ökonomen von vornherein auf ein Scheitern der schwarz-rot-pinken Koalition anlege. Das ist jedoch nicht der Fall gewesen: Marterbauer hat sich genauso wie er selbst als Pragmatiker der Macht erwiesen. Vorerst gilt demnach, was mit ÖVP und Neos vereinbart ist. Und Punkt.
Das heißt schon sehr viel: Vor ziemlich genau zwei Jahren ist Babler überraschend SPÖ-Vorsitzender geworden. Letzten Endes geholfen hat ihm, dass er den Wienern um Ludwig lieber war als der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil; begeistert waren sie nicht von ihm. Begeisterte Anhänger haben ihm jedoch geholfen, es bis zur Stichwahl gegen Doskozil zu bringen. Er verkörperte das, was in der Partei selten geworden ist: Mit Leidenschaft und Selbstbewusstsein für eigene Standpunkte eintreten und es nicht von vornherein auf einen Kompromiss mit dem Koalitionspartner anlegen, der für die meisten alternativlos ist: der ÖVP.
Heute befindet sich Babler in einer Zusammenarbeit mit dieser und kann das nicht mehr liefern. Er hält sich aber auch sonst zurück, als wäre er mit der Mietpreisbremse zufrieden, die er gleich einmal durchgebracht hat. Zu Medien- und Kulturpolitik, für die er als Regierungsmitglied verantwortlich zeichnet, hat er bisher keine Akzente gesetzt. Im Gegenteil, zum ORF-Stiftungsrat hat er „Weiter wie bisher“ geliefert und so getan, als belasse man es mit ein paar Rochaden und schreite nicht auch noch zu einer Entparteipolitisierung.
Das ist gefährlich für ihn, aber auch die Sozialdemokratie: Wie die ÖVP mit Christian Stocker befindet sie sich in einer Art „Dienst nach Vorschrift“-Zustand. Man tut, was zur Verwaltung des Landes notwendig ist, aber nicht mehr. Man lebt noch von der Erleichterung vieler, dass ein Kanzler Kickl und alles, was damit einhergegangen ist, dem Land vorerst erspart geblieben ist.
Die Perspektiven sind begrenzt: Bei der SPÖ täuschen Erfolge bei den Gemeinderats- bzw. Landtagswahlen in Wien und dem Burgenland darüber hinweg, dass sie auf Bundesebene mit nur gut 20 Prozent auf einem historisch niedrigen Niveau liegt und in den meisten ländlichen Regionen verloren ist; dass sie in Salzburg und der Steiermark in den Seilen hängt, es in Ober- und Niederösterreich erst schaffen muss, mit ambitionierten Vorsitzenden neu durchzustarten sowie in Kärnten noch immer ohne Nachfolge für Peter Kaiser bzw. dem Risiko dasteht, das Land bei der dortigen Wahl in nicht einmal drei Jahren zu verlieren.
Als Babler 2023 auf dem Wag an die Parteisitze war, sprach er in einer ZIB 2 davon, sie auf 40 Prozent bringen zu wollen. Und zwar dadurch, dass er „Jetzt-FPÖ-Wähler“ und Nichtwählerinnen mobilisiert. Weder bei der Europa- noch bei der Nationalratswahl ist ihm das aus der Opposition heraus gelungen. In Regierungsfunktion wird es nicht einfacher: Viele Anhänger der Freiheitlichen und Leute, die nicht (mehr) wählen gehen, sind nicht einfach nur anderer Meinung und könnten daher vielleicht überzeugt werden. Sie haben im Sinne von Kickl mit einem „System“ abgeschlossen, zu dem sei alle Parteien mit Ausnahme der FPÖ zählen. Das ist das große Problem.