Warum selbst Strache den ORF braucht

ANALYSE. Gut die Hälfte der Wahlberechtigten sind nicht direkt auf Facebook und anderen sozialen Medien erreichbar.

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ANALYSE. Gut die Hälfte der Wahlberechtigten sind nicht direkt auf Facebook und anderen sozialen Medien erreichbar.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben es in einzigartiger Weise geschafft, sich eigene Medienkanäle aufzubauen. Beide haben auf Facebook rund 800.000 Anhänger. Zu behaupten, dass sie deswegen nicht mehr auf klassische Medien wie den ORF, aber auch Tageszeitungen und Magazine angewiesen sind, ist jedoch vollkommen daneben. Grund: Gut die Hälfte der Wahlberechtigten nutzen weder Facebook noch andere soziale Medien. Vor allem ältere tun das nicht. 

Wie sehr auch moderne Politiker auf klassische Medien angewiesen sind, erkennt man im Übrigen schon daran: Auch sie lassen es inseratenmäßig krachen. 2018 belief sich das Gesamtvolumen, das von öffentlichen Stellen vergeben worden ist, auf mehr als 170 Millionen Euro. Ein größerer Teil davon wurde von Kanzleramt und Ministerien sowie insbesondere der Stadt Wien an sehr klassische Titel wie ORF, Krone, Heute und Österreich vergeben, wie „Der Standard“ aufschlüsselte.

Im Übrigen demonstriert vor allem die FPÖ durch ihre intensive Auseinandersetzung mit dem ORF, dass ihr öffentlich-rechtlicher Rundfunk und ebensolches Fernsehen nicht egal ist. Aus nachvollziehbaren Gründen.

Von den 65- bis 74-Jährigen ist nur ein Achtel (!) auf Facebook, Twitter und Co. 

Wie Kurz mag Strache ein echtes Kaliber in den sozialen Medien sein. Sehr viele Österreicher nutzen aber kein Internet und noch viel mehr keine sozialen Medien. Das lässt sich über Statistik Austria-Daten nachvollziehen.

In Österreich lebten 2018 insgesamt 6,6 Millionen 16- bis 74-Jährige. Von ihnen haben „in den letzten drei Monaten“ ausgehend vom Erhebungszeitpunkt gerade einmal 5,7 Millionen das Internet genutzt. Und überhaupt nur 3,5 Millionen soziale Medien. Besonders unter Älteren ist der Anteil gering: Von den 65- bis 74-Jährigen war nur ein Achtel (!) auf Facebook, Twitter und Co.

Was die Internetnutzung betrifft, sind die Zahlen nicht nach Staatsbürgerschaft aufgeschlüsselt. Eine Ahnung im Hinblick auf die Wahlberechtigten liefert jedoch dieser Vergleich: Laut Statistik Austria gab es 2018 rund 1,7 Millionen 35- bis 74-Jährige Internetnutzer, aber 3,9 Millionen österreichische Staatsbürger, also Wahlberechtigte. Sprich: 2,2 Millionen Männer und Frauen dieser Altersgruppe können nicht direkt über Facebook, Twitter und Co. erreicht werden. Beachtet man, dass es im übrigen noch 820.000 ab 75-Jährige gibt, zu denen zwar keinen Internetnutzungsdaten vorliegen, die Anteile aber sehr, sehr bescheiden sein dürften, kann man sagen, dass noch immer gut die Hälfte aller 6,4 Millionen Wahlberechtigten (Nationalratswahl 2017) eher nur über klassische Medien angesprochen werden können. Was diese Medien für die Politik eben weiter so begehrt macht.

Wo der ORF für Politiker unverzichtbar ist: Niederösterreich und Burgenland. 

Wobei das noch viel weiter differenziert werden könnte. Einzelne Altersgruppen sind für Parteien unterschiedlich relevant. Laut SORA punktete die Kurz-ÖVP 2017 etwa besonders bei ab 60-Jährigen mit einem Stimmenanteil von 36 Prozent. Ober Landespolitiker: Wie an anderer Seite bereits erwähnt, gibt es da und dort keine „Landestageszeitung“, womit der ORF als täglicher Infokanal noch wichtiger wird – etwa im Burgenland für LH Hans Peter Doskozil (SPÖ) und in Niederösterreich für LH Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), wenn sie etwas vermitteln wollen bzw. die dortigen Bürger, wenn sie etwas erfahren wollen. Ja, man könnte auch von einer gewissen Monopolstellung des ORF sprechen, die politische Einflussnahme so extrem heikel macht.

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