ANALYSE. Zur Verhinderung eines „Volkskanzlers“ wäre eine „Große Koalition plus“ notwendig. Es hapert jedoch am Wollen – und am Können.
Immer öfter ist von einer Anti-Kickl-Allianz die Rede. Damit angefangen hat Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Das ist nachvollziehbar: Die FPÖ und Herbert Kickl stehen seiner Partei so fern wie wohl keiner anderen. Nicht nur zu Demokratie- und Asylfragen etwa, sondern auch zur Klimapolitik. Eine solche würde es unter blauer Führung nicht mehr geben.
Eine Anti-Kickl-Allianz, die über eine Mehrheit auf parlamentarischer Ebene verfügt, um einen „Volkskanzler“ verhindern zu können, ist jedoch unrealistisch. Die Motivlagen und Ziele sind zu unterschiedlich. Die ÖVP von Karl Nehammer schließt lediglich eine Regierungszusammenarbeit mit Kickl aus. Das Standard-Argument lautet, dass er ein „Sicherheitsrisiko“ darstelle.
Das heißt nicht, dass sie eine „Große Koalition“ mit SPÖ sowie Grünen oder Neos bilden möchte, um Österreich einen „Volkskanzler“ zu ersparen. Für die Volkspartei ist das nämlich keine prinzipielle Angelegenheit. Sie schließt nur eine Zusammenarbeit mit Kickl aus, weil sie hofft, so ihre Position gegenüber den Freiheitlichen stärken zu können; natürlich mit Blick auf eine Koalitionsoption nach der Wahl.
Abgesehen davon könnte sie es sich schwer leisten, sich einer umfassenden Anti-Kickl-Allianz anzuschließen: Sie ist aus heutiger Sicht 2017 mit Sebastian Kurz falsch abgebogen. Ist zu bläulicher Politik übergegangen, die ihr zwar schnelle Wahlerfolge, letzten Endes aber die missliche Lage beschert hat, die heute offensichtlich wird: Sie hat sich von potenziellen FPÖ-Wählern abhängig gemacht. Sie ist daher vorsichtig im Umgang mit den Freiheitlichen, um diese Wähler nicht ganz zu verlieren.
Die Sache mit der Anti-Kickl-Allianz ist jedoch komplizierter: Eine solche wäre gleichgesetzt mit einer Festlegung auf eine „Große Koalition plus“ bereits heute. Und diesbezüglich hapert es an zu vielem: Damit sie erfolgreich sein und sich über eine Legislaturperiode hinaus halten kann, ist es wichtig, dass die Parteien A) für sich und B) zusammen wissen, wie sich Österreich weiterentwickeln soll.
Was A) betrifft, hat sich die SPÖ vor einem halben Jahr mit Andreas Babler immerhin aufgemacht, Antworten zu finden. Sie ist erstens aber noch dabei und hat zweitens aus nachvollziehbaren Gründen die Absicht, mit dem Ergebnissen für sich zu mobilisieren, um bei der Nationalratswahl zuzulegen. Mit einer Festlegung auf eine „Große Koalition plus“ bereits jetzt wäre das weniger einfach. Sie müsste ständig schon Kompromissmöglichkeiten aufzeigen, ihre Positionen also aufweichen.
Die ÖVP schiebt eine Neuaufstellung seit dem Kurz-Abgang vor bald zweieinhalb Jahren vor sich her. Das macht es schon von daher schwer, eine Koalition mit ihr zu bilden, die wirklich etwas will für Österreich. Ein ambitioniertes, aber auch attraktives Regierungsprogramm (also B)) erscheint insofern überhaupt illusorisch.
Über ein solches müsste eine Anti-Kickl-Allianz jedoch verfügen: Sie kann einen „Volkskanzler“ nur dann über 2024 hinaus verhindern, wenn sie eine Wählermehrheit halten und die Kickl-FPÖ daher nicht immer weiter zulegen kann.