ANALYSE. Die FPÖ ist auf dem Vormarsch, „obwohl“ die Persönlichkeitswerte von Kickl und Co. unfassbar schlecht sind. Das ist kein Widerspruch, sondern ein Signal. Wobei die bisherige These zu kurz greift.
Die „Niederösterreichischen Nachrichten“ (nön) haben gerade eine Umfrage zur Landespolitik veröffentlicht. Die ÖVP würde demnach bei einer Wahl am kommenden Sonntag von knapp 50 auf 41 Prozent abstürzen, die SPÖ um 2,2 Punkte auf 26 Prozent zulegen und die FPÖ – absolut wie relativ noch stärker– um 2,3 Punkte auf 17 Prozent gewinnen (sonst würde sich nicht viel ändern).
Wie ein Widerspruch dazu wirken die Vertrauenswerte, die die Zeitung für führende Politiker ausweist (angegeben wird der Saldo aus „Vertrauen“ und „kein Vertrauen“): ÖVP-Chefin und Landeshauptfrau Johanna Mikl Leitner muss gegenüber einer Befragung im Jänner zwar ein Minus von drei Punkten hinnehmen, liegt mit Plus 25 Punkten aber noch immer vorne. Auf der anderen Seite rangiert FPÖ-Obmann Gottfried Waldhäusl bei einem viel größeren Verlust (minus sieben Punkte) und mit minus 35 Punkten weit abgeschlagen hinter allen anderen Spitzenpolitikern.
Ähnliches gibt es auch auf Bundesebene: Die FPÖ befindet sich – langsam, aber doch – auf dem Vormarsch, hält im Durchschnitt der Umfragen immerhin 21 Prozent. Da und dort ist sie schon gleichauf mit der abstürzenden ÖVP. Der letzte APA/OGM-Vertrauensindex wurde zwar im März durchgeführt, Herbert Kickl, Obmann der Freiheitlichen, erreichte dort aber die üblichen Werte: 82 Prozent schenkten ihm kein Vertrauen, gerade einmal 15 Prozent taten es. Schon damals lag die Partei in der Sonntagsfrage deutlich besser. Das ist eine Botschaft.
Die These greift zu kurz, dass es Freiheitlichen nicht nur darum gehe, geliebt zu werden, sondern vor allem auch darum, aufzufallen und zu polarisieren. Vor Kickl haben schon Heinz-Christian Strache und Jörg Haider ihre Politik unterschiedlich stark danach ausgerichtet. Wer polarisiert, mag zwar viele Gegner haben, aber auch umso „festere“ Anhänger.
Doch das ist nicht alles. Gerade in der Krise geht es um mehr. Regierende, wie Bundeskanzler Karl Nehammer oder Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, polarisieren weniger. Ausgehend von einem höheren Niveau setzt ihnen ein Vertrauensverlust stärker zu. Freiheitliche profitieren davon. Nicht, weil sie als bessere Alternative betrachtet werden und man ihnen mehr zutrauen würde, sondern weil sie sich anbieten, eine Absage an das zu erteilen, was als System betrachtet wird, das die Zustände zu verantworten habe.
Das hat auch für die Sozialdemokratie etwas Bedrohliches: Ihr Mitbewerber um Platz eins auf Bundesebene ist mittelfristig weniger die ÖVP als die FPÖ. Grund: Je länger die Krise dauert, desto größer wird das Protest-, Unmut- oder Wutpotenzial, das nicht so sehr durch konstruktive Vorschläge abgeschöpft werden kann, sondern eher dadurch, dass es befeuert wird. Wie es Herbert Kickl auf diversen Veranstaltungen von Corona-Maßnahmengegnern bereits versucht hat. Das war ein Probelauf bei einem anderen Thema.
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