ANALYSE. In der Steiermark lässt sich die einst stolze Volkspartei jetzt auch noch von Freiheitlichen demütigen. Es ist Ausdruck eines alarmierenden Zustandes – über das Land hinaus.
Natürlich könnte man sich jetzt auch der steirischen SPÖ zuwenden. Nachdem sie bei der jüngsten Landtagswahl in industrie-, also arbeiterreichen Regionen nichts gerissen hat, bereitet sie sich unter Führung des designierten Vorsitzenden Max Lercher erstmals auf Oppositionsarbeit vor. Lercher ist ein Kämpfer und lässt sich gerne mit den Worten zitieren, dass er mit seinen Leuten „verstanden“ habe. Konsequenz: Die Sorgen und Nöte der Steirerinnen und Steirer seien jetzt ihr Programm.
Es ist unsagbar traurig, dieses Zitat: Was war bisher maßgebend? Vor allem aber: Können Sorgen und Nöte an sich ein Programm sein? Nein, natürlich nicht. Sie können eher nur dies sein: A) Für Populisten eine Orientierung, was sie befeuern müssen. B) Für überzeugte Politiker ein Auftrag, bestimmte Probleme im Sinne einer gewissen Programmatik zu lösen, aus der zum Beispiel hervorgeht, ob sie eher dem Individuum oder eher dem Gemeinwesen den Vorzug geben.
Das wird jetzt jedoch zu lang. Relevanter ist dies: Der bisherigen steirischen Landeshauptmannes Christopher Drexler (ÖVP) hat wortlos eine Sitzung seiner Partei verlassen, er muss Noch-Landtagspräsidentin Manuela Khom weichen. Sie wird stellvertretende Landeshauptfrau.
Die Begleitmusik ist schlimm: Seit der Landtagswahl Ende November ist absehbar, dass FPÖ-Chef Mario Kunasek Landeshauptmann wird. Den Vize werde er sicher nicht machen, hatte Drexler im Wahlkampf gesagt. Dann stürzte seine Partei, die ÖVP, von 36 auf weniger als 27 Prozent ab. Es lag auch an ihm. Er blieb jedoch. Und Wirtschaftsbündler, die umgehend begannen, ihn anzuzählen, sorgten nicht gleich für seinen Rücktritt, sondern ließen ihn erst noch mit Freiheitlichen ein Regierungsprogramm verhandeln. Danach, sagte ihr Obmann Josef Herk damals laut „Kleiner Zeitung“, werde man zu einer „organisatorischen und personellen Neuaufstellung“ schreiten.
Das wurde jetzt angegangen, nachdem die Verhandlungen abgeschlossen, aber das Ergebnis noch nicht offiziell verkündet war und die blau-schwarze Regierung noch nicht offiziell stand. Das muss man sich einmal vorstellen: Die eigenen Parteifreunde lassen Drexler mit Kunasek weitreichende Dinge ausschnapsen und vor der Besiegelung des Ergebnisses glauben sie, Kunasek ein anderes Gegenüber hinsetzen zu müssen.
Es war ein Geschenk für den Freiheitlichen: Zunächst hob er das Telefon nicht ab, ließ offen, ob er dem zustimmen würde. Dann ließ er wissen, dass er auf Pakttreue bestehe und die schwarze Kernmannschaft erhalten bleiben müsse. Eine gezielte Demütigung der ÖVP. Mehr nicht. Aber das reicht. Die steirische Volkspartei ist schon so tief gefallen, dass so mit ihr umgesprungen werden kann.
Ja, sie ist noch tiefer gefallen: Sie ist inhaltlich so blank, dass das blau-schwarze Regierungsprogramm – so weit absehbar – ein blaues wird: Kopftuchverbot, Genderverbot und ein Corona-Entschädigungsfonds. Schon vor ein paar Tages wurden im Übrigen Bezahlkarte für Asylweber und (Forderung an den Bund) Herabsetzung der Strafmündigkeit bekannt.
Eine Bankrotterklärung: Es sind dies Dinge, die nicht wenigen Menschen gefallen werden. Es sind vor allem aber Dinge, die an Problemen der Steiermark vorbeigehen. Dieses Land trifft vieles mit doppelter Wucht. Die Krise der Industrie etwa oder die Alterung und damit einhergehender Fachkräftemangel in so vielen Bereichen bis hin zur Pflege. Aber dem zukünftigen Landeshauptmann ist Symbolpolitik wichtig und dass er für Volkskultur zuständig sein wird. Die ÖVP spielt mit.
Wie sie es in Niederösterreich getan hat, als sie unter Führung von Johanna Mikl-Leitner vor bald zwei Jahren nach einer krachenden Wahlniederlage mit Freiheitlichen das bis dahin wohl schwächste Regierungsprogramm der Zweiten Republik besiegelte. Auch mit Genderverbot und dergleichen. Bis heute ist sie dem Niveau treu geblieben, hat gerade per Dienstanweisung dafür gesorgt, dass der Nikolaus in alle Kindergärten kommt.
In Oberösterreich hat Integrationslandesrat Christian Dörfel von der ÖVP, die hier ebenfalls mit der FPÖ koaliert, gerade eine „Hausordnung“ für Zuwanderer angekündigt. Geplant sei auch, Asylwerber zu Dialektkursen zu schicken. Kein Schmäh.
Was ist nur los mit dieser Partei? Sie macht die FPÖ stärker und merkt nicht, wie sie sich selbst allmählich überflüssig macht. Das kann unter diesen Umständen nicht einmal ihren größten Gegnern (außerhalb der FPÖ) gefallen.