Vergesst Kurz

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ANALYSE. Spekulationen um ein Comeback wollen nicht verstummen. Der Mann steht jedoch auf der falschen Seite der Geschichte.

Das Kapitel Sebastian Kurz ist für die ÖVP noch immer nicht erledigt. Es sind Aussagen wie jene des Vorarlberger Landeshauptmannes Markus Wallner, die dazu beitragen. In den VN hat er jüngst zur Frage, ob der 38-Jährige Spitzenkandidat bei allfälligen Neuwahlen werden könnte, gemeint: „Wir haben das in der Partei nie weiterdiskutiert.“ Außerdem ist gerade bekannt geworden, dass Kurz‘ einstiger Stratege Stefan Steiner jetzt wieder engagiert wird von ÖVP.

Wie auch immer: Die Geschichte um Kurz steht vor allem für eine Tendenz in der Volkspartei, sich gerade nach der Wahlniederlage vom September nach vergangenen Erfolgen zurückzusehen – und zwar verstärkt durch Zweifel, ob man so, wie man jetzt unterwegs ist, eine Zukunft habe.

Diese Sehnsucht wird jedoch zunehmend fragwürdig. Bisher war sie eher nur von Illusionen getragen. Ob die ÖVP mit Kurz zum Beispiel noch immer abräumen könnte, ist fraglich. Laut einer „Puls 24“-Umfrage könnte sie mit ihm 21 Prozent holen. Statt 19. Das erscheint plausibel und würde sich wohl auch kaum entscheidend ändern, wenn die Frage konkret werden würde.

Erstens: Sebastian Kurz hat nicht wenige Menschen enttäuscht als Politiker. Er hat insbesondere Sauberkeit angekündigt und dann wegen Korruptionsaffären gehen müssen.

Zweitens: Kurz steht auch für Corona-Maßnahmen, gegen die sich Protestbewegungen entwickelt haben.

Drittens: Diese Bewegungen sind umgekehrt gezielt angesprochen worden von Herbert Kickl (FPÖ), sie haben ihn mit groß gemacht.

Viertens: Kurz steht heute auf der falschen Seite der Geschichte. Nicht nur, dass er nach wie vor bedauert, dass Kickl nicht Kanzler geworden ist mit Hilfe der ÖVP („Eine Mitte-rechts-Regierung hätte dem Land gutgetan“, sagt er), in einem „Heute“-Interview hat er – dazu passend – gerade auch zum Ausdruck gebracht, dass er US-Präsident Donald Trump noch immer distanzlos gegenübersteht und schlicht angetan ist von diesem („Trump hält was er verpochen hat“).

Die Verhandlungen zwischen den USA und Russland über die Ukraine findet Kurz einfach nur gut: „Gott sei Dank findet das nun statt. Der Krieg begleitet uns schon viel zu lange und ist für die Menschen vor Ort nach wie vor ein Drama. Es sterben unzählige Menschen; ich war von Anfang an der Meinung, dass es eine Lösung am Verhandlungstisch brauchen wird. Ich bin sehr optimistisch, dass das zügig stattfinden kann.“ Anmerkungen, Vorbehalte, zum Beispiel, was Trumps Umgang mit Wladimir Putin einerseits und Wolodymyr Selenskyj andererseits betrifft, den er als „Diktator ohne Wahlen“ bezeichnet; oder etwa, was die Perspektiven für Europa insgesamt anbelangt? Null.

Selbstverständlich gibt es für derlei Zuspruch in der Wählerschaft. Würde es der ÖVP allein darum gehen, müsste sie jedoch feststellen, dass das Potenzial, das hier möglich wäre mit Kurz, begrenzt ist – weil ja Herbert Kickl schon so groß da ist. Vor allem aber: In Regierungsfunktion wäre Kurz mit solchen Positionen im Frühjahr 2025 kaum weniger ein Sicherheitsrisiko als es der FPÖ-Chef ihren Angaben zufolge längst ist.

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