ANALYSE. Die „Krone“ mag den Bundespräsidenten als „Minusmann“ darstellen, weil er Kickl den Regierungsbildungsauftrag verweigert hat. Dieser tritt jedoch weiter gegen die liberale Demokratie und die EU auf. Und das ist entscheidend.
Es gibt solche und solche Gegnerinnen und Gegner von FPÖ-Chef Herbert Kickl: Bei Johanna Mikl-Leitner beispielsweise schwingt der Verdacht mit, dass sie es aus parteitaktischen Gründen sei; immerhin arbeitet sie in St. Pölten mit Udo Landbauer zusammen. Bei Karl Nehammer wiederum könnten taktische Überlegungen (wie das Halten des Kanzleramts) eine Rolle spielen, dürften jedenfalls aber auch Überzeugungen maßgebend sein. Der Mann scheint in Kickl wirklich ein Problem zu sehen.
Bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen sind Prinzipien jedenfalls zentral. Das bedeutet nicht, dass man persönliche Animositäten ausschließen kann. Es ist aber so, dass er sehr schlüssig argumentiert, warum Kickl in Regierungsverantwortung nicht mehr in Frage kommt für ihn. Er macht das an grundsätzlichen, eben prinzipiellen Dingen fest.
Das ist wichtig. Klaus Herrmann, Chefredakteur der „Krone“, hat in einem Newsletter vor wenigen Tagen versucht, allen Leserinnen und Lesern zu gefallen. Er stellte Van der Bellen daher sowohl als „Mann der Woche“ als auch als „Minusmann der Woche“ dar. Letzteres nämlich mit dem Argument, dass es ein Fehler gewesen sei, Kickl nicht mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Damit habe dieser nicht beweisen müssen, ob er einen Partner finden kann. Schlimmer: Van der Bellen verlange den Mut und den Willen, sich Herausforderungen zu stellen – und Kickl verspreche genau das.
Tut er das wirklich? Herrmann ist typisch für einen gewissen Teil von Österreich. Dieser sagt: „Lasst Kickl doch zeigen, was er drauf hat, immerhin ist er der Wahlgewinner. Im Übrigen betont er, dass er eh für Demokratie und Europa sei!“
Van der Bellen ist weit entfernt davon, darauf hereinzufallen. Seit bald zwei Jahren wiederholt er immer wieder, worum es ihm geht. Insbesondere um die liberale Demokratie, die europäische Integration und darum, Versuchen des russischen Präsidenten Wladimir Putin entgegenzutreten, beides zu zertrümmern.
Darf er das? Er muss: Er ist der Verfassung und ihrem Geist verpflichtet, unter anderem also der liberalen Demokratie und der Mitwirkung an der europäischen Integration als EU-Mitglied. Und er ist mit absoluter Mehrheit gewählt, das durchzuziehen, soweit es ihm möglich ist. Das heißt bei einer Regierungsbildung: So lange sich keine parlamentarische Mehrheit gegen seine Vorstellungen bildet. Was er in Bezug auf Kickl vorerst nicht zu befürchten hat.
Der FPÖ-Chef tritt allein schon durch sein „Volkskanzler“-Gerede gegen die liberale Demokratie an. Im Übrigen bleibt er auch nach der Wahl ein Gegner der EU: Die ÖVP und Karl Nehammer hat er ja ausdrücklich mit einem bloßen Bekenntnis zum Europäischen Wirtschaftsraum zu umwerben versucht. Was quasi einer „EU Superlight“ entsprechen würde.
Herbert Kickl betreibt das im Verein mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Diesen Donnerstag wird er mit diesem in Wien zusammentreffen. Genauso wie sein Parteifreund, der neue Nationalratspräsident Walter Rosenkranz, der sein Amt damit gleich einschlägig einsetzt. Anlass: Orban ist – neben dem deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) – auf Einladung der Putin-freundlichen „Weltwoche“ in der Stadt. Thema: „Frieden in Europa.“
Das ist ein wichtiges Thema. Frieden wollen viele. Bei Kickl und Orban gibt es jedoch diese Zugänge dazu: Was muss man Putin anbieten, damit er die Waffen in der Ukraine schweigen lässt, wie kann man ihn zufriedenstellen, koste es, was es wolle? Außerdem ist bei beiden die Europapolitik eine, die Putin nur gefallen kann. Kickl wirbt für einen bloßen Wirtschaftsraum.
Orban ruft seine Landsleute zum Widerstand gegen die EU auf. Gerade hat er das mit dem ungarischen Volksaufstand gegen das kommunistische Regime und die UdSSR vor 68 Jahren verglichen: „Beugen wir uns dem Willen einer fremden Macht, diesmal aus Brüssel, oder widersetzen wir uns ihr?“, sagte er: „Ich schlage vor, dass unsere Antwort so klar und deutlich ausfällt wie 1956.“