Ute Sassadeck, 1937 – 2016

Die gebürtige Berlinerin zählte zu den großen Frauen des politischen Journalismus. Ein Nachruf, erschienen in den Vorarlberger Nachrichten, deren stv. Chefredakteurin und Leiterin der Wiener Redaktion sie war.

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Die gebürtige Berlinerin zählte zu den großen Frauen des politischen Journalismus. Ein Nachruf, erschienen in den Vorarlberger Nachrichten, deren stv. Chefredakteurin und Leiterin der Wiener Redaktion sie war.

Bis zuletzt verwickelte Ute Sassadeck ihre Besucher im 5. Stock des Wiener Altenheims der Barmherzigen Schwestern in Gespräche über die Politik, ihrem Lebensthema. Wie macht sich der neue Kanzler? Wie wird die nächste Wahl ausgehen? Zwischendurch sprach sie immer wieder auch von „uns Journalisten“, womit sie eine Andeutung darauf machte, dass ihr ihr Beruf nie Job, sondern immer Lebensaufgabe war. Ja, man übertreibt nicht, wenn man feststellt: Ute Sassadeck zählt zu den großen Frauen des politischen Journalismus der Zweiten Republik.

Geboren am 22. Dezember 1937 in Berlin, wuchs sie in der Stadt auf, wo man gar nicht anders konnte, als politisch zu sein: Der Kalte Krieg führte zu einer Teilung in Ost und West, die durch die Mauer immer auch sichtbar war. Anfang der 1960er Jahre wechselte sie zum Studium nach Wien, das zu ihrer neuen Heimat werden sollte: „Ich fühle mich pudelwohl hier“, ließ sie später einmal wissen. 

„Wenn es notwendig ist, darf man sich nicht zurückziehen, sondern muss sich wehren“, lautete ihre Devise.

Gemütlich gemacht hat sie es sich allerdings nie: Im Journalismus, der damals eine Männerdomäne war, kämpfte sie sich durch. „Wenn es notwendig ist, darf man sich nicht zurückziehen, sondern muss sich wehren“, lautete ihre Devise. So stieg sie bei der damaligen „Österreichischen Neuen Tageszeitung“ ein und kam nach mehreren anderen Stationen 1970 in die Hauptstadtbüros der „Tiroler Tageszeitung“ und der „Neuen“. 1975 folgten die „Vorarlberger Nachrichten“, denen sie bis zu ihrer Pensionierung ein Vierteljahrhundert später treu blieb und bei denen sie Spuren hinterließ. Nicht nur als stv. Chefredakteurin, die sie auch war, sondern vor allem auch als Mensch und Journalistin. „Mit Ute Sassadeck verliere ich eine Freundin und entscheidende Mentorin. Ihr journalistisches Wirken hat weit über die Vorarlberger Nachrichten hinaus Maßstäbe gesetzt“, bringt VN-Verleger Eugen A. Russ das zum Ausdruck. 

In den vergangenen Monaten wohnte Ute Sassadeck bei den Barmherzigen Schwestern zufällig neben dem Zimmer, das dem Gedenken an Kardinal Franz König gewidmet ist, der hier seinen Lebensabend verbrachte. So kritisch sie der Kirche gegenüberstand, so groß war ihre Wertschätzung für den 2004 verstorbenen Würdenträger. Das sagt viel über sie aus: Man muss nicht einer Meinung sein, kann die andere aber schätzen.

Als Journalistin stellte sie sich selbst nie in den Vordergrund. Eitelkeit oder das Wörtchen „Ich“ in Texten waren ihr fremd.

Als Journalistin stellte sie sich selbst nie in den Vordergrund. Eitelkeit oder das Wörtchen „Ich“ in Texten waren ihr fremd. Im Zentrum stand immer die Politik, die dem Gemeinwesen zu dienen hatte. Medien mussten das aufmerksam verfolgen und entweder berichten, was ist oder nachvollziehbar kommentieren. Aber nichts anderes. Journalistischen Nachwuchs mag sie damit zur Weißglut getrieben haben; am Ende aber sollte es ihr noch ein jeder danken.

Dass Ute Sassadeck klare Positionen vertrat, gleichzeitig aber eine Gesprächsgrundlage mit Vertretern aller Parteien hatte, zählte zu ihren Stärken: Mit Jörg Haider konnte sie genauso gut stundenlange Mittagstermine verbringen, wie es ihr möglich war, mit Wolfgang Schüssel, Franz Vranitzky oder Peter Pilz intensive Diskussionen zu führen.

Als Journalistin trug Sassadeck auch zu einem Stück Zeitgeschichte bei.

Über Wortbrüche dagegen konnte sie nur schwer hinwegsehen. Als sich Schüssel als damaliger ÖVP-Chef Anfang 2000 dazu entschloss, eine Koalition mit der FPÖ einzugehen, obwohl seine Partei bei den vorhergehenden Wahlen auf Platz drei gelandet war und er für diesen Fall angekündigt hatte, in Opposition zu gehen, blieb das für sie unverzeihlich.  

Als Journalistin trug Sassadeck auch zu einem Stück Zeitgeschichte bei: Dass Bruno Kreisky nachgesagt wird, er habe vor der Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf 1978 angekündigt, zurückzutreten, falls es eine Mehrheit dagegen geben würde, ist indirekt ihr zu verdanken. Sie hatte die entsprechende Frage gestellt. Seine Antwort lautete: „Ich werde sicher nicht sagen, dass ich sicher nicht zurücktreten werde.“ Sie selbst sollte zwar immer der Überzeugung bleiben, dass das eine Absage war; andere Journalisten und vor allem die politischen Mitbewerber sahen dies aber anders, sodass es nicht als solche aufgenommen wurde.

Ute Sassadeck selbst ist der Politik als „Präsidentin“ in Erinnerung: Dieser Titel blieb ihr aus ihrer Zeit als Vorsitzende der Vereinigung der Parlamentsredakteure bis zuletzt. Wobei die kleine Steigerung der Funktionsbezeichnung typisch Wienerisch sein mag, in ihrem Fall aber als Würdigung ihres Werkes zurecht erfolgte. Dienstagvormittag ist sie im Alter von 79 Jahren verstorben.

> Dieser Nachruf ist zunächst in den Vorarlberger Nachrichten vom 18. August 2016 erschienen. 

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