ANALYSE. Nach den gescheiterten Regierungsverhandlungen herrscht in der Partei von Andreas Babler Schockstarre. Dabei müsste gerade auch sie sich auf Neuwahlen vorbereiten.
Schwer zu sagen, wessen Zustand übler ist. Jener der ÖVP oder jener der SPÖ. Die Sozialdemokratie hat allenfalls das Glück, dass sie etwas weniger im Scheinwerferlicht steht, weil sie keine Rolle mehr spielt bei der Regierungsbildung. Andererseits könnte das auch ihr Pech sein: Damit geht weniger Druck einher für sie.
Ein solcher wäre notwendig: Die Partei ist erstmals bei einer EU- und erstmals auch bei einer Nationalratswahl auf Platz drei gelandet. Sie hat einen ambitionierten Chef, der aber nicht erreicht, was er will. Wobei es müßig ist, darüber zu diskutieren, wie sehr das an ihm selbst oder an Genossen und Boulevardmedien liegt, die ihn offen ablehnen. Das Ergebnis zählt.
So leistet die SPÖ einen unfreiwilligen Beitrag zum Entstehen einer 3. Republik unter Führung eines sogenannten Volkskanzlers. Sie hat keine Aussicht auf Wahlerfolge. Und sie kann auch weniger denn je eine einende Funktion einnehmen. Damit gemeint ist, dass sie im Zentrum von Kräften steht, die bei allen Unterschieden den Zugang von Kickl ablehnen und gemeinsam eine Alternative bilden könnten. Handle es sich um Grüne und Neos, mit denen sie gerade verkracht ist, oder auch um Teile der ÖVP und der Wirtschaft, denen Demokratie und Europa wichtig sind.
In seiner ersten Rede nach Erhalt des Regierungsbildungsauftrags hat Kickl deutlich gemacht, dass die ÖVP bei den kommenden Verhandlungen akzeptiert, was er will, oder es zu Neuwahlen kommt. Ebensolche könnten ihm gefallen. Im Moment hätte er, hätte die FPÖ keinen Gegner, der ihr um Platz eins gefährlich werden könnte.
Die ÖVP hat Christian Stocker, die SPÖ Andreas Babler, der in der Kanzlerfrage noch nie auch nur in die Nähe von 20 Prozent gekommen ist. Da könnte es irgendwann klingeln. Genauer: Müssten jetzt die Alarmglocken läuten. Wobei es zu einfach wäre, Babler einfach nur abzulösen. Wichtiger ist zunächst, dass sich die Sozialdemokratie bewusst wird, wie gefährlich die Lage auch für sie ist; und dass sie klärt, was sie will; dass sie dabei allenfalls parteiinterne Opposition aus dem Burgenland akzeptiert, aber nicht mehr.
Größtes Dilemma: Ein Christian Kern zum Beispiel wird sich kaum hergeben dafür, in den Ring zu steigen. Zu unabsehbar ist, was kommt. Vielleicht werden es schier unendlich viele Oppositionsjahre. Eher ist das die Stunde, in der Leute wie Peter Kaiser oder Michael Ludwig gefordert sind, Verantwortung zu übernehmen.
Gefragt ist ein Mann oder eine Frau an der Spitze der SPÖ, die über Parteigrenzen hinweg Ansehen und Vertrauen genießt. Der einerseits zuzutrauen ist, dass sie sich gegenüber Kickl in der tagespolitischen Auseinandersetzung und schließlich auch in einem sogenannten Kanzlerduell behaupten könnte. Die ihn vorsichtiger werden lässt und der (derzeit berechtigten) Überzeugung beraubt, die FPÖ bei einer Nationalratswahl locker Richtung 40 Prozent führen zu können.