ANALYSE. Für Werner Kogler und Co. sind harte Zeiten angebrochen. Sie müssen ihren Platz erst finden. Unfreiwillig helfen könnte ihnen dabei die FPÖ.
Um die Grünen ist es ruhig geworden: Auf der Bühne, die mit einer Regierungsbeteiligung einhergeht, stehen nicht mehr sie, sondern Sozialdemokraten und Neos an der Seite von Schwarzen. Da könnten Werner Kogler und Co. zunächst einmal machen, was sie wollen, sie würden nicht wahrgenommen werden.
Jetzt geht es darum, wie sich Christian Stocker (ÖVP) als Kanzler, Andreas Babler (SPÖ) als Vize und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) als Außenministerin schlägt, gibt es den ersten Ministerrat, die erste Klausur, den ersten EU-Gipfel und jeden Tag jeweils dutzende Interviews mit einem Regierungsmitglied nach dem anderen. Das wird noch bis zum Sommer so weitergehen. Mindestens: Die nächsten Wochen werden voraussichtlich im Zeichen der Budgetsanierung stehen. Dieser Prozess wird formal auf parlamentarischer Ebene erst im Juli abgeschlossen sein.
Für die Grünen ist es in gewisser Weise ein Glück: Sie brauchen die Zeit, um ihre bisherige Rolle abzulegen und ihre künftige zu finden. Wohl erst mit der Entscheidung über die Kogler-Nachfolge an ihrer Spitze, die im Laufe des Jahres auf einem Bundeskongress fallen soll, wird ihnen wieder größeres Interesse zuteilen werden.
Einfach so mir nichts, dir nichts anknüpfen, wo sie einst in Opposition aufgehört haben, können sie nicht. In Regierungsverantwortung haben sie Dinge mitgetragen oder erduldet, die sie Wählerzuspruch gekostet haben. Die Abschiebung von Kindern etwa; oder die Einstellung der „Wiener Zeitung“. Andererseits hat sich das, was man als öffentliche Meinung bezeichnet, gewandelt. Laut einer ATV-Umfrage ist auch eine Mehrheit ihrer verbliebenen Anhänger für den Stopp des Familiennachzugs für Asylberechtigte.
Das macht die Oppositionsarbeit „gegen“ Schwarz-Rot-Pink nicht einfacher. Zumal hier überhaupt differenziert werden will: Kogler lobt die Bereitschaft der Koalition zum Kompromiss. In der dramatischen Zeitenwende stehe viel auf dem Spiel, sagt er. Seine Partei sei bereit, bei Zweidrittelmaterien zu kooperieren. Gleich einmal klassische Oppositionsarbeit zu machen und einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen, würde dem widersprechen. Defizite sieht Kogler einzig beim Klimaschutz: Auf dem ökologischen Auge sei diese Regierung blind, behauptet er. Ob damit aber viel zu holen ist?
Eher werden sich die Grünen über die FPÖ wieder aufrichten können, nicht nur den Abschied von der Regierung, sondern auch eine Phase überwinden können, die für sie im Zeichen von Stimmenverlusten steht. In der Sozialpolitik, die ihnen wichtig ist, könnten ihnen das zunächst die Sozialdemokraten mit ihrer Sozialministerin und ihrem Finanzminister schwermachen, in der Europa- und in der Bildungspolitik die Neos mit ihrer Außenministerin und ihrem Bildungsminister.
Auf der anderen Seite darf man aber eben nicht vergessen, dass die FPÖ noch immer ein Faktor ist in der österreichischen Politik: In der Steiermark gibt es eine blau-schwarze, in Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg eine schwarz-blaue Koalition – da ist durchwegs eine autofahrerfreundliche Politik genauso angesagt wie mehr Volkskulturpflege, da liegt eine Gegenbewegung geradezu in der Luft, die nicht riesig, aber groß genug sein könnte, damit Grüne wieder einmal ein paar Prozentpunkte gewinnen.
Längerfristig könnte es im Übrigen auch auf Bundesebene wieder Potenzial geben für sie: Neos wird es jetzt ähnlich gehen wie ihnen in Regierungsverantwortung. Vieles ist nicht, einiges nur zum Teil durchsetzbar; Drittes muss geschluckt werden: Da wird sogar einiges möglich für die einzige Oppositionspartei neben der FPÖ, die sich noch dazu klar unterscheidet von dieser, ja den Gegenpol bildet.