ANALYSE. Nationalratspräsident Rosenkranz hilft der Neuen Rechten beim Versuch, einen historisch klar besetzten Begriff in der Alltagssprache durchzusetzen. Worum es dabei geht.
„So, leider Gottes ist, mit Ansage, alles eingetreten: von der Kriminalität über die Umvolkung bis hin zum Kollaps des Sozialsystems.“ Das sagte der freiheitliche Abgeordnete Peter Wurm vergangene Woche in einer Nationalratssitzung. „Umvolkung“ sei „ein Begriff, der aus dem Nationalsozialismus bekannt ist“, reagierte der Sozialdemokrat Kai Jan Krainer und forderte Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) auf, Wurm einen Ordnungsruf zu erteilen. Rosenkranz‘ erste Antwort: Er werde sich die Konnotationen des Begriffs, der unterschiedlich gebraucht werde, anschauen. Und schließlich die zweite und abschlägige Antwort: Der Begriffe könne auch in einem anderen (als einem nationalsozialistischen) Zusammenhang verwendet werden. Er soll demnach also harmlos sein. Um nicht zu sagen normal.
Wirklich? Freiheitliche behaupten das gerne – und entpuppen sich damit als Teil der Neuen Rechten. Und zwar schon sehr lange: Als es in den 1990er Jahren im Hohen Haus um das Einbürgerungsrecht ging, meinte der steirische Abgeordnete Franz Lafer, er wolle „fast“ behaupten, es gleiche „schon einer Umvolkung“. Es gab Proteste, der Hinterbänkler zog die Aussage zurück. Parteichef Jörg Haider behauptete laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) später jedoch, dass es sich um einen wissenschaftlichen Begriff handle. Und überhaupt: Einbürgerungen würden erleichtert werden, es drohe „eine weitere Überfremdung“.
Hier schließt sich ein rechter Kreis: „Umvolkung“ zählt zur Terminologie des NS-Rechts, wie das DÖW ausführt: „SS-Führer Heinrich Himmler etwa verwendete „Umvolkung“ in seinem „Generalplan Ost“ vom April 1942. Darin heißt es, dass in Polen „rassisch unerwünschte Teile der Bevölkerung verschrottet“ werden könnten. Es sei nämlich „zweifelhaft, dass 14 Millionen Fremdvölkische binnen 30 Jahren umgevolkt“ werden könnten.“
Heute gehört „Umvolkung“ zum Sprachschatz der Neuen Rechten. Laut deutschem Verfassungsschutz ist es bei ihnen gleichbedeutend mit dem „Großen Austausch“ und stellt „eine direkte Referenz auf den gleichlautenden nationalsozialistischen Terminus dar“. Verschwörtungstheoretisch behauptet werde eine „ethnische Zersetzung“ der europäischen Gesellschaften durch Zuwanderung.
Da ist es nicht weit zu „Remigration“, von der Identitäre und Freiheitliche genauso reden wie Vertreter der AfD. Sie wollen damit laut Bayerischem Rundfunk dies: „Bestimmten Menschen mit deutschem Pass und Migrationshintergrund das Leben in Deutschland durch Gesetzesänderungen schwerer machen, um sie zur Ausreise zu drängen.“
Das Reden von Remigration solle darüber hinaus grundsätzlich verändern, wie die Gesellschaft über Zuwanderung denkt. Migration solle von vielen als Problem verstanden werden, nicht als Vorteil für den Arbeitsmarkt oder kulturelle Bereicherung. Langfristig sei das Ziel, „die Veränderungen bei der ethnischen Zusammensetzung der Gesellschaft zumindest aufzuhalten“.
2023 wurde „Remigration“ zum „Unwort des Jahres“ gewählt, wie der BR für Deutschland weiter ausführt. Die damalige Begründung der Jury habe gelautet: „Das Wort ist in der Identitären Bewegung, in rechten Parteien sowie weiteren rechten bis rechtsextremen Gruppierungen zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden.“